Klingendes Holz aus alten Zeiten
 
Anmühtig und wol zu hören

Gemshörner

Heidelberger Totentanz, Tod mit Gemshorn
Heidelberger Totentanz (1488), Tod mit Gemshorn

Über das Gemshorn wissen wir nicht viel. Es ist davon auszugehen, dass schon in prähistorischer Zeit versucht wurde, hohle Tierhörner zum Klingen zu bringen. Und vermutlich kam dabei gelegentlich etwas heraus wie unsere Gemshörner. Überliefert ist leider keiner dieser vorgeschichtlichen Versuche. Auch aus dem Mittelalter ist nichts bekannt. Das früheste Zeugnis ist ein Holzschnitt im „Heidelberger Totentanz“ (um 1488), auf der der Tod mit Gemshorn dargestellt ist.

Sebastian Virdung bildet in seinem Werk „Musica getutscht“ (1511) ein „Gemsenhorn“ ab, Martin Agricola übernimmt die Abbildung in seiner „Musica instrumentalis“ (1529).

"Gemsenhorn" aus Virdung, Musica getutscht
„Gemsenhorn“ aus Sebastian Virdung, Musica getutscht,
Basel 1511.

Daneben gibt es vereinzelte Darstellungen aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. In der letzten Auflage von Agricolas „Musica instrumentalis“ von 1545 fehlt das Instrument; vermutlich war es zu dieser Zeit bereits völlig aus der Mode gekommen. Praetorius beschreibt unter dem Namen nur noch ein Orgelregister, und als ein solches hat der Name „Gemshorn“ die Jahrhunderte überdauert.

Das Gemshorn gehört zu den Flöteninstrumenten und in dieser Familie zu den Gefäßflöten, wie z.B. auch die Okarina. Kennzeichen dieses Instrumententyps ist, dass diese Instrumente nicht aus einer Röhre bestehen, sondern aus einem geschlossenen Gefäß. Das Volumen dieses Gefäßes bestimmt den Grundton (großes Gefäß: tief; kleines Gefäß: hoch).

Ob die Gemshörner in der Renaissance so ausgesehen haben wie unsere, ist unsicher. Während die ausgestellten Instrumente – wie Blockflöten – 8 Grifflöcher haben (7 vorn, 1 hinten), weisen sämtliche uns bekannten abgebildeten und auch die wenigen (in unspielbarem Zustand) erhaltenen Instrumente weniger Löcher auf: dem Instrument beim „Heidelberger Totentanz“ fehlen die Löcher gänzlich (nun gut, dem Künstler kam es augenscheinlich nicht so sehr auf instrumentenkundliche Originaltreue seiner Abbildungen an), das bei Virdung – und identisch bei Agricola – hat 4, davon ist eines so randständig dargestellt, dass möglicherweise das Daumenloch damit gemeint ist; es gibt zwei kleine Darstellungen bei Dürer, in beiden Fällen sind 3 Löcher zu sehen, was zuzüglich des Daumenlochs auf der Rückseite 4 Löcher ergäbe. Dem Musikwissenschaftler Andrew Parkinson ist es 1981 gelungen, ein Gemshorn zu bauen, auf dem sich auf 4 Löchern eine Tonleiter von 1 Oktave Umfang spielen ließ, insofern sind die Darstellungen nicht unplausibel. Dass daraus zwingend der Schluss zu ziehen ist, dass es keine Gemshörner mit mehr Löchern und z.B. Blockflöten-ähnlicher Griffweise gegeben hat, darf bezweifelt werden; eine solche Ausführung wäre einfach zu naheliegend, um nicht irgendwann irgendeinem Instrumentenbauer eingefallen zu sein.

Sopran-Gemshorn.
Sopran-Gemshorn.

Angesichts der sehr kargen Überlieferung, insbesondere des Verschwindens bei Agricola und des Fehlens bei Praetorius, ist zu vermuten, dass das Gemshorn in der Renaissance eher eine Kuriosität als ein „normales“ Instrument war und im Vergleich mit anderen Instrumenten keine allzu große Rolle gespielt hat. Dessenungeachtet ist es mit seinem sanften, schönen Klang eine Bereicherung des Instrumentariums jener Zeit.

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