Klingendes Holz aus alten Zeiten
 
Anmühtig und wol zu hören

Schwegel (Einhandflöte)


Schwegel und Trommel
Michael Praetorius, La Volta
Ausführende: Caliban’s Dream
Musiker mit Schwegel und Trommel, Pedro de Benabarre, ca. 1470.
Musiker mit Schwegel und Trommel, Pedro de Benabarre, ca. 1470.

Der Begriff Schwegel ist mehrdeutig: Im Mittelalter wurden Flöten generell als Schwegel bezeichnet. In der Renaissance bezeichnete der Begriff (meist) die hier ausgestellte Einhandflöte, in neuerer Zeit überwiegend eine kleine Querflöte, die in der alpenländischen Volksmusik gespielt wird (auch: Schweizer-, Seitl– oder Zwerchpfeife). Laut Duden sei der Begriff weiblichen Geschlechts; allerdings ist auch „der Schwegel“ gebräuchlich.

Der Renaissance-Schwegel ist eine Einhandflöte. Er gehört – wie die Blockflöte – zu den Kernspaltflöten, allerdings mit einigen Unterschieden: Der augenfälligste ist sicherlich, dass es nur 3 Grifflöcher gibt, die zudem sehr nahe am unteren Ende des Instruments positioniert sind. 2 Fingerlöcher auf der Ober- und 1 Daumenloch auf der Unterseite sind praktisch beim einhändigen Spielen, weil man 2 Finger (Ring- und Kleinfinger) frei hat, um mit ihnen die Flöte zu halten.

Naturtonreihe
Naturtonreihe

Aber wie bringt man mit diesen wenigen Löchern eine Tonleiter zuwege?
Die kurze Antwort: Durch mehrfaches Überblasen. Die etwas längere und – unvermeidlich – kompliziertere Antwort: Überbläst man ein Blasinstrument mit konischer Bohrung, d.h. steigert man den Anblasdruck so weit, dass der Ton „überkippt“, entstehen – theoretisch (praktisch läuft es oft auf ohrenbetäubendes Gequietsche hinaus) – nacheinander die Töne der sog. Naturtonreihe, also die ganzzahligen Vielfachen der Frequenz des Grundtons: Nehmen wir als Grund- oder 1. Naturton das C (66 Hz). Der 2. Naturton hat die doppelte Frequenz des Grundtons, also 132 Hz, was einem c entspricht, der Oktave des Grundtons. Der 3. Naturton hat die 3-fache Frequenz des Grundtons (198 Hz), das ist g, die Quinte über dem 2. Naturton. Und so geht es weiter: der 4. Naturton (4-fache Frequenz des Grundtons, 264 Hz) ist c‘, die Quarte über dem 3.; der 5. (5-fache Frequenz des Grundtons, 330 Hz) ist e‘, die große Terz über dem 4.; der 6. (6-fache Frequenz des Grundtons, 396 Hz) ist g‘, die kleine Terz über dem 5.; und dann wird’s für unsere Ohren etwas unsauber… Der uns hier interessierende Effekt ist also, dass mit mehrfachem Überblasen die Naturtöne immer näher beieinander liegen – und je näher beieinander, desto weniger Löcher braucht man, um die dazwischenliegenden Töne zu erzeugen.

Der Schwegel hat eine relativ stark konische und enge Bohrung und ist für das Überblasen optimiert: Der Grundton spricht fast überhaupt nicht an, wird aber auch nicht benötigt: Mit den 3 Löchern lässt sich auch hier nicht viel anfangen. Beim ersten Überblasen (2. Naturton) ist die Ansprache besser, und hat man die 3 Löcher genutzt, um 3 Töne höher zu spielen, ist man nur noch 1 Ton vom 3. Naturton entfernt, den man durch stärkeres Überblasen erreicht. Von da an sind die per Überblasen erreichbaren Töne so nahe beieinander, dass 3 Löcher problemlos ausreichen. Nachteil der mehrfachen Überblaserei: Das Instrument erfordert beim Üben dicke Zimmerwände oder eine geduldige Nachbarschaft.

Der Vorteil ist, dass der Spieler sich selber mit einer Trommel oder einem anderen Schlaginstrument begleiten kann – fertig ist die Einmannkapelle der Renaissance! Als Volksmusikinstrument werden Schwegel bis heute u.a. in England („Pipe and Tabor“), in der Provence („Galoubet“) und im Baskenland („Txirula“) verwendet. Praetorius nennt das Instrument „Stamentien-Pfeifflin“ in den Stimmlagen Diskant und Bass; das Bassinstrument liegt dem Spieler auf der Schulter und wird über ein langes Anblasrohr geblasen.

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