Klingendes Holz aus alten Zeiten
 
Anmühtig und wol zu hören

Krummhorn

Krummhörner (aus: Sebastian Virdung, Musica getutscht, Basel, 1511).
Krummhörner (aus: Sebastian Virdung, Musica
getutscht, Basel, 1511).

Das Krummhorn ist ein Doppelrohrblatt-Instrument mit Windkapsel. Es hat Grifflöcher wie eine Blockflöte und eine enge, zylindrische Bohrung, aufgrund derer es sich nicht in eine höhere Lage überblasen lässt; der reguläre Tonumfang beträgt nur eine None. Bei modernen Nachbauten ist der Tonumfang gelegentlich durch 1 oder 2 Klappen um 1–1½ Töne erweitert (diese Technik war um 1600 zwar bereits bekannt, es gibt aber keine Abbildungen oder überlieferte Instrumente, aus denen hervorgeht, dass sie bei Krummhörnern angewendet wurde). Nach unten kann der Tonumfang behelfsmäßig durch Verschließen von zusätzlichen Tonlöchern um 1–2 Töne erweitert werden. Da es – vermutlich wegen der Krümmung – keine komplizierteren Klappenmechanismen gab, konnte der Spieler diese Löcher während des Spielens nicht schließen oder öffnen und musste vor dem Beginn oder in hinreichend langen Pausen Verschlussschieber betätigen. Eine weitere behelfsmäßige Methode zur Erweiterung des Tonumfanges nach unten besteht im „Fallenlassen“ des Tones: Ein versierter Spieler kann auf einem geeigneten Rohrblatt durch Verminderung des Anblasdrucks eine Quinte (oder mehr) tiefer spielen, als der regulären Stimmung entspricht. Aber das ist kaum sauber zu intonieren und auch klanglich nicht besonders befriedigend.

Krummhörner, Syntagma musicum, Michael Praetorius, 1620.
Krummhörner, Syntagma musicum, Michael Praetorius, 1620.

Das Krummhorn kam Ende des 15. Jahrhunderts in Gebrauch, vermutlich in Norditalien, und war im 16. Jahrhundert v.a. dort und im deutschsprachigen Raum und angrenzenden Gebieten verbreitet. Der geringe Tonumfang und die Nachteile der Windkapsel führten Anfang des 17. Jahrhunderts zum Aussterben des Instruments. Überlebt haben seine Klangfarbe und sein Name als ein gängiges Register von Kirchenorgeln.

Wie wird das Krummhorn krumm?

Krummhorn, Instrumentensammlung der Wiener Hofburg.
Krummhorn, Instrumentensammlung der Wiener Hofburg.

Das Werkstück wurde i.d.R. nach dem Bohren der Längsbohrung nass und über Dampf, gleichzeitig vorsichtig und mit Kraftaufwand, allmählich gekrümmt, bis die endgültige Form erreicht war; danach wurden die Grifflöcher gebohrt und die äußere Form fertiggestellt. Es gibt aber auch Beispiele anderer Techniken: Ein Holzblock wurde mit 3 durchgehenden Bohrungen versehen, danach wurde das überschüssige Material entfernt und die nicht benötigten offenen Enden der Bohrungen verschlossen. Das Ergebnis war eine scharfe Krümmung, ähnlich wie bei Saxophonen oder Bassklarinetten. Ein solches Instrument ist in der Musikinstrumentensammlung der Wiener Hofburg ausgestellt. Eine dritte Technik aus der Frühzeit des Krummhorns ist die Herstellung aus geschnitzten Hälften, die zusammengeklebt und außen mit Leder überzogen wurden.

Bleibt die Frage: Warum ist das Krummhorn krumm? Warum hat man sich die Mühe gemacht, das Krummhorn krummzubiegen oder -schnitzen? Betrübliche Tatsache: Man weiß es nicht. Klang und Spielweise wären bei geradem Holz identisch. Manche Spieler vermuten, der Grund sei, dass man sich so besonders bei tiefen Tönen selbst besser hören kann. Aber eine solche Rücksichtnahme auf die Belange der Musiker ist man von anderen Instrumenten nicht gewohnt. Als anderer Grund wird genannt, die Form imitiere ein mittelalterliches Blasinstrument, bei dem an einem geraden Holz unten als Schalltrichter ein Kuhhorn angebracht war, wodurch ein krummes Instrument entstand (solche Konstruktionen waren bei Dudelsäcken noch lange Zeit – möglicherweise bis heute – gebräuchlich). Aber es scheint nicht plausibel, dass solch ein Aufwand getrieben wurde wegen der klanglich irrelevanten Imitation der Bauform eines überkommenen Instruments: Im Gegensatz zu heute gab es in der Renaissance kein besonders ausgeprägtes Bewusstsein für historische Musikinstrumente.

So bleibt wohl nur die unbestreitbare Antwort: Wäre es nicht krumm, wäre es kein Krummhorn.

<
Dudelsack
^
Rohrblattinstrumente
>
Cornamuse