Klingendes Holz aus alten Zeiten
 
Anmühtig und wol zu hören

Schalmei und Pommer

Musiker mit Schalmei, Ausschnitt aus „Albrecht Marschall von Rapperswil“, Codex Manesse, 14. Jahrhundert.
Musiker mit Schalmei, Ausschnitt aus „Albrecht Marschall von Rapperswil“, Codex Manesse, 14. Jahrhundert.

Die Schalmei ist – wie der aus ihr hervorgegangene Pommer – ein Doppelrohrblattinstrument mit einfacher, konischer Bohrung, die i.A. in einem großen Schalltrichter ausläuft. Sie hat 6 oder 7 Grifflöcher auf der Vorderseite und kann ein Daumenloch haben. Der Ton ist angenehm, aber laut und gelegentlich scharf. (Glauben Sie nicht dem Idyll von den Hirten, die dem neugeborenen Jesuskind lieblich auf der Schalmei vorspielten – seine Mutter hätte sie hochkant hinausgeworfen.) Ursprünglich hatte die Schalmei, wie ihre orientalischen Verwandten bis heute, eine Lippenstütze (sog. Pirouette), im einfachsten Fall eine Scheibe am oberen Ende mit einem Loch in der Mitte, in das das Rohrblatt gesteckt wird. Die Lippen des Spielers stützen sich an dieser Scheibe ab, das Rohrblatt schwingt frei in der Mundhöhle wie in einer Windkapsel. Man kann auf diese Weise mittels Zirkularatmung (Einatmen während des Blasens) sehr lange melismatische Passagen spielen, wie sie z.B. auch für Dudelsackmusik charakteristisch sind; aber es fehlen – wie beim Dudelsack – die Möglichkeiten der rhythmischen Gestaltung und Phrasierung durch kürzere Töne sowie der Dynamik, auch lässt sich das Instrument nicht sehr gut überblasen. Deshalb kam in der Renaissance neben der Spielweise mit Pirouette auch der „moderne“ Lippenansatz in Gebrauch.

Musiker mit Harfe und Schalmei, Detail aus dem Manuskript „Cum superius sufficienter pro iuvenum“, 1448.
Musiker mit Harfe und Schalmei, Detail aus dem
Manuskript „Cum superius sufficienter pro iuvenum“, 1448.

Die Schalmei stammt aus dem Orient und dürfte aus der von China bis zum Balkan und in Nordafrika heute noch verwendeten Zurna (türkisch) bzw. Mizmar (arabisch) hervorgegangen sein. Sie kam im Mittelalter durch Kreuzfahrer und Händler aus dem Südosten und über die Mauren in Spanien aus dem Südwesten nach Mitteleuropa (früheste Belege in der Literatur des 13. Jahrhunderts) und erfreute sich hier schnell großer Beliebtheit, zuerst als Hirteninstrument, dann aber auch in der „Kunstmusik“. Ihr Name kommt vom lateinischen calamus (Schilfrohr, ein Hinweis auf die Tonerzeugung per Rohrblatt) Im 15. Jahrhundert ermöglichte die Erfindung von Klappenmechanismen die Entwicklung größerer Instrumente in tieferen Stimmlagen.

Schalmei und Pommer in Musica getutscht, Sebastian Virdung, 1511.
Schalmei und Pommer in
Musica getutscht,
Sebastian Virdung, 1511.

Eine solche größere Schalmei wird Pommer (Bombarde, Bomhart) genannt. Praetorius erklärt den Namen so: „Pommern (Italice Bombardo, oder Un Bombardone…) haben ihren Namen ohn allen zweiffel von bombo, vom Summen und Brummen“ – wobei hinzugefügt werden muss, dass Praetorius kein leises Summen und zartes Brummen meinte…

Praetorius gibt für die Pommern die Stimmlagen Alt, Nicolo, Tenor, Bass und Großbass an. Nicolo, Tenor, Bass und Großbass sind „extendierte“ Instrumente: Ihr normales Griffschema entspricht der nominellen Stimmlage, ihre Länge aber der nächst-tieferen. Zusätzliche Klappen für den kleinen Finger und den Daumen der unteren Hand (heutzutage üblicherweise der rechten) erschließen dem Spieler den tieferen Bereich – behelfsmäßig, denn der Klappenmechanismus ist oft recht träge und die Ansprache dieser tiefen Töne schlechter als die der höheren Lage. Was es mit dem Namen „Nicolo“ für den extendierten Alt auf sich hat, ist dem Verfasser dieser Zeilen nicht bekannt.

Musikerin mit Basspommer, Tobias Stummer, 2. Hälfte 15. Jahrhundert.
Musikerin mit Basspommer, Tobias Stummer,
2. Hälfte 15. Jahrhundert.

Die Pommernfamilie in der beschriebenen Größe hatte keinen langen Bestand. Der Bass- und Großbasspommer (für letzteren gibt Praetorius eine Länge von „10 Schuch 1 Zol“ an, was grob umgerechnet zwischen 2,50 m und 3 m liegt) waren schwer zu transportieren, unbequem zu spielen und wurden von Bass- und Kontrabassdulzianen problemlos ersetzt, die bauartbedingt entscheidend handlicher waren und deren Klang zudem gemeinhin als angenehmer empfunden wurde.

Die Schalmei nahm den Part des Diskantinstruments der Pommernfamilie ein; allerdings entstanden in der Spätrenaissance auch Diskantpommern mit einer Klappe für den unteren kleinen Finger. Aus dem Diskantpommer wurde im 17. Jahrhundert die Oboe entwickelt – ihr Name begegnet uns bereits in Praetorius‘ Beschreibung des Pommers: „die Frantzosen nennen es Houtbois, die Engelländer Hoboyen“.

 

 

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