Klingendes Holz aus alten Zeiten
 
Anmühtig und wol zu hören

Dudelsack

Aufbau eines Dudelsacks.
Aufbau eines Dudelsacks.

Der Dudelsack ist ein Holzblasinstrument, bei dem (meist) mehrere Rohrblatt-„Pfeifen“ aus einem Sack mit Luft versorgt werden. Typischerweise wird eine dieser Pfeifen, die Spielpfeife, mehr oder weniger ähnlich wie eine Flöte gegriffen und zur Erzeugung einer Melodie verwendet, während die anderen, die Bordunpfeifen, einen gleichbleibenden Ton bzw. Akkord, den Bordun, hervorbringen. Meist haben Dudelsäcke 1–4 Bordunpfeifen, aber es gab und gibt auch Instrumente mit ausschließlich einer Spielpfeife; außerdem gab es immer wieder welche mit 2 Spielpfeifen.

Terrakotta-Figur mit Panflöte und Dudelsack, Alexandria, 1. Jhdt. v.Chr.
Terrakotta-Figur mit Panflöte und Dudelsack, Alexandria, 1. Jhdt. v.Chr.

Die Geschichte des Dudelsacks beginnt mit Sicherheit bereits im Altertum; wenn es an genauere Zeitangaben geht, ist es mit der Sicherheit leider vorbei. Möglicherweise zeigt ein hethitisches Relief aus der Zeit um 1200 v.Chr. einen Dudelsack, möglicherweise ist auf einer persischen Abbildung einer Gruppe Musiker aus dem 6. Jahrhundert v.Chr. ein Dudelsackspieler dabei – die Bilder sind zu undeutlich, um das mit Sicherheit sagen zu können. Umstritten ist, ob es im klassischen Griechenland Dudelsäcke gegeben hat (es gibt Namen von Instrumenten, die darauf hindeuten, aber keine Abbildungen oder archäologischen Befunde). Ziemlich sicher können wir uns bei einer Terrakottafigur aus Alexandria sein, die aus dem 1. Jahrhundert v.Chr. stammt.

In Rom war der Dudelsack in der frühen Kaiserzeit bekannt. Von Kaiser Nero wird berichtet, er habe sich nicht nur auf das Lyra-Spiel (z.B., wie die Legende geht, beim Brand Roms), sondern auch auf das Blasen des Dudelsacks verstanden. Die Römer haben das Instrument in ihrem ganzen Reich verbreitet, auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich, auf dem Balkan und in Britannien.

Musiker mit Dudelsäcken, Miniaturen aus den Cantigas de Santa Maria, 13. Jahrhundert.
Musiker mit Dudelsäcken, Miniaturen aus den Cantigas de Santa Maria, 13. Jahrhundert.

Aus dem Mittelalter und der Renaissance haben wir mehr Belege für die Benutzung des Dudelsacks in Form von literarischen Erwähnungen und Abbildungen (wobei man an die Genauigkeit letzterer keine allzu hohen Erwartungen knüpfen sollte). Eine Abbildung im Codex Manesse legt nahe, dass er auch im höfischen Milieu Verwendung fand. In der Renaissance spielte er wohl in der „Kunstmusik“ keine große Rolle. Bei Virdung, Musica getutscht, wird eine „Sackpfeiff“ abgebildet, aber nicht weiter beschrieben. In Agricolas Musica instrumentalis, keine 20 Jahre später, findet er überhaupt keine Erwähnung. Leider hat fast kein Instrument aus der Zeit überlebt und schon gar kein komplettes, nur eine Spielpfeife aus dem frühen 15. Jahrhundert, die in Rostock gefunden wurde.

Dudelsäcke in Michael Praetorius, Syntagma musicum, 1620.
Dudelsäcke in Michael Praetorius, Syntagma musicum, 1620.

Erst am Übergang von der Renaissance zum Barock liefert unser Hauptgewährsmann, Michael Praetorius, in der Organographia als Erster Beschreibungen und Abbildungen verschiedener Dudelsacktypen und gibt uns eine Ahnung von ihrer Vielfalt allein im mitteldeutschen Raum. Hier lesen wir erstmals Namen wie Bock, Schaperpfeife (Schäferpfeife), Hümmelchen und Dudey und erfahren Details zur Anzahl ihrer Pfeifen, deren Stimmung und bauartbedingten Problemen. Auch aus dieser Zeit hat leider nur ein Instrumententeil überlebt: In einem Schiffswrack aus dem frühen 17. Jahrhundert, das in Nordfriesland (Nordsee) entdeckt wurde, fand man ein Instrument, das als Spielpfeife eines Hümmelchens identifiziert wurde.

Auch bei Praetorius erfahren wir nicht über die Beschaffenheit der Rohrblätter, die die Dudelsäcke zum Dudeln brachten. Hier kommt ein weiterer Informant ins Spiel: der Theologe, Naturforscher und Musikwissenschaftler (kurz: Universalgelehrte) Marin Mersenne, der 1636, knapp 20 Jahre nach Praetorius, sein Fundamentalwerk zur Musik, Harmonie Universelle, herausbrachte, in dem neben Musiktheorie und Akustik auch Instrumentenkunde ziemlich umfassend abgehandelt wird. Hier erfahren wir über einige französische Dudelsäcke, dass sie Bordunpfeifen mit Einfach- und Spielpfeifen mit Doppelrohrblättern haben. Es ist natürlich nicht gesagt, dass das bei allen Dudelsäcken so war, bietet aber einen Anhaltspunkt.

Hyacinthe Rigaud, Gaspard de Gueidan en joueur de musette, 1738.
Hyacinthe Rigaud, Gaspard de Gueidan en joueur de musette, 1738.

Der Dudelsack war im Frankreich der Barockzeit sehr beliebt, v.a. die Musette de cour. Dieses nicht allzu laute, hochentwickelte Instrument wurde nicht mit dem Mund, sondern mit einem Blasebalg geblasen, die Spielpfeife hatte fast 2 Oktaven Tonumfang. Viele namhafte Komponisten schrieben Musik für die Musette de cour, z.B. Joseph Bodin de Boismortier, Nicolas Chédeville und Jean-Philippe Rameau.

Ende des 18. Jahrhunderts verlor der Dudelsack in Frankreich, so wie anderswo schon früher, an Bedeutung. Auch in der Volksmusik wurde er im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aufgrund seiner klanglichen und harmonischen Unflexibilität und seines i.A. geringen Tonumfanges von anderen Instrumenten (z.B. Gitarre, Akkordeon) verdrängt.

Anders lagen die Dinge in Großbritannien, wo die Great Highland Bagpipe als Instrument der Militärmusik immer von großer Bedeutung war. Im 18. und 19. Jahrhundert war es üblich, dass mit schottischen Regimentern Dudelsackpfeifer in die Schlacht zogen; erst im 1. Weltkrieg kam man davon ab, weil die Verluste unter den Pfeifern zu groß waren.

In Mitteleuropa erwachte der Dudelsack mit der Wiederentdeckung des Instrumentariums alter Musik, dem Aufkommen einer „Mittelalter-Markt“-Szene und dem zunehmenden Interesse an der schottischen Dudelsackmusik zu neuem Leben.

The Fat Kitchen, Pieter van der Heyden, nach Pieter Bruegel, dem Älteren, 1563.
The Fat Kitchen, Pieter van der Heyden, nach Pieter Bruegel, dem Älteren, 1563.

Das hier ausgestellte Instrument ist ein sog. Hümmelchen. Woher der Name kommt, ist nicht sicher. Naheliegend ist die Assoziation seines leisen, summenden Klanges mit Hummelgebrumm, aber man liest auch von der Herkunft von dem alten, (nieder)deutschen Wort „hameln“, „hämeln“ oder „humeln“, das „stutzen“ bedeute; wir hätten es also mit einem (hinsichtlich seiner Lautstärke) „gestutzten“ Dudelsack zu tun. Und in der Tat ist unser Hümmelchen mietwohnungstauglich. Innerhalb seiner Art ist es auch noch ein besonders kleines – viele Hümmelchen haben 2 Bordunpfeifen, wir müssen mit einer auskommen. Der Instrumentenbauer hat ihm in seinem Sortiment den Namen „Fat Kitchen Pipe“ gegeben, eine Anspielung auf das Gemälde De vette keuken („Die fette Küche“) von Pieter Brueghel d.Ä., in dem ein sehr armer, ausgemergelter Musikant mit so einem einfachen Hümmelchen abgebildet ist.

 

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