Seitenstetten 2021

Non veggio

Francesco Petrarca: Sonett 107; Übersetzung: Ernst-Jürgen Dreyer

Non veggio ove scampar mi possa omai:
sí lunga guerra i begli occhi mi fanno,
ch’i’ temo, lasso, no ’l soverchio affanno
distruga ’l cor che triegua non à mai.
Fuggir vorrei; ma gli amorosi rai,
che dí et notte ne la mente stanno,
risplendon sí, ch’al quintodecimo anno
m’abbaglian piú che ’l primo giorno assai;
et l’imagine lor son sí cosparte
che volver non mi posso, ov’io non veggia
o quella o simil indi accesa luce.
Solo d’un lauro tal selva verdeggia
che ’l mio adversario con mirabil arte
vago fra i rami ovunque vuol m’adduce.
Nicht seh ich irgend Rettung vor den Qualen:
die schönen Augen führen derart raren
Krieg gegen mich, daß, weh mir, die Gefahren
mein Herz, das niemals Ruhe hat, zermahlen.
Entfliehen möcht ich, doch die Liebesstrahlen,
die Tag und Nacht mir durch die Seele fahren,
sie leuchten so, daß sie nach fünfzehn Jahren
noch stärker als am ersten Tag erstrahlen.
Und ihre Bilder sind verstreut im Kreise,
so daß ich, wo ich gehe, diesem Lichte
begegne und von ihm entfachtem Schimmer.
Ein Lorbeer grünt zu solcher Waldesdichte,
daß mich mein Feind auf wunderbare Weise
durchs Dickicht irren läßt, wohin auch immer.