Wellness - Poesie - Tanz
 
Neusiedlerstraße 30

Schwarzbad

Als sich im Jahr 1865 das Ehepaar Johann und Maria Schwarz aus Wels/OÖ in Mödling ansiedelt, bedecken Weingärten die Hänge linksseitig der Rupprechtgasse. Auf dem angekauften Grundstück, das von der Neusiedlerstraße bis zur evangelischen Kirche reicht, wird das eingeschossige Stammhaus mit darunter liegenden Weinkellern errichtet.

Dem Trend der 1870er Jahre zur Errichtung von Freibädern folgend (Kaltwasserkuren nach Pfarrer Kneipp!), entschließt sich Maria Schwarz, ungeachtet aller moralischer Bedenken dieser Zeit, zum Bau des Schwarzbades. Die finanzielle Unterstützung des Mödlinger Bäckers Ratz wird dankend angenommen und ausschließlich unter familiärer Mithilfe entsteht das erste Bassin von 27×12 m. Bald folgt ein zweites, das Damenbad rechts, getrennt durch Kassenraum und eine Kabinenreihe vom Herrenbad links. Diese Trennung wird polizeilich streng überwacht.

Der weitere Ausbau umfasst einen großen Umkleideraum, eine Holzbaracke zur Aufbewahrung einiger hundert Badekleider (da die feinen, privaten Schwimmanzüge Aristokratinnen und Offiziersgattinnen vorbehalten sind), Wannenbäder mit Warteraum, ein Kesselhaus, weitere geräumige Badekabinen, eine Kaltwasserkuranstalt mit Badearzt und Masseur, Meersalz- und Kohlensäurebäder sowie ein Dampfbad. Maria Schwarz beschäftigt 12 Angestellte.

Ohne öffentliche Wasserleitung in der Neusiedlerstraße ist die Wasserversorgung von Beginn an problematisch. Das Wasser wird mittels Schläuchen von der evangelischen Kirche her geleitet – ein unhaltbarer Zustand. Um 1900 wird diesem Missstand durch eine Tiefenbohrung auf mehr als 20 m Tiefe auf dem Grundstück Jubiläumsstraße 7 (heute Dr. Ludwig Riegerstraße) und Verlegung einer 80 m langen Leitung ein Ende gesetzt: Ein modernes „Wellness-Center“ ist entstanden mit Schwimmfesten und Wettschwimmen.

Auch der Wintersport ist zu dieser Zeit im Kommen: 1909 errichtet Maria Schwarz durch Planierung eines Gartenteils oberhalb des Wannenbades einen Natureisplatz von 30 m im Quadrat und eine Wärmestube.

Noch 1913 erfolgt der Einbau einer Dampfkesselanlage zur Beheizung der Bassins, nicht ohne abermals Geld aufzunehmen. Die Betriebskosten erweisen sich höher als erwartet, die Winter sind mild, die Sommer verregnet und nach Beginn des 1. Weltkrieges steht der Bevölkerung nicht der Sinn nach Badevergnügen. Finanzielle Schwierigkeiten bleiben nicht aus und schon vor Beginn des 1. Weltkrieges werden die Wannenbäder, die Kaltwasserkuren und die Natureisbahn geschlossen.

1913 stirbt Johann Schwarz, 1916 seine Frau Maria und 1919 der älteste Sohn und Erbe Viktor Schwarz nach seiner Heimkehr aus dem Krieg: Nun liegt es an der Tochter, Maria Mildner, durch Verkauf diverser, von Josef Mildner erworbener Immobilien, das Schwarzbad während der Zeit der Inflation zu erhalten.

Im Jahr 1927 wird die Familie mit dem Vorhaben der Stadt Mödling zum Bau eines öffentlichen Hallen-, Dampf- und Wannenbades konfrontiert. Sie bietet der Stadt das gesamte Badeobjekt mit Garten und Wohnhaus zum Kauf an, wird aber abschlägig beschieden. Paula Mildner erlebt selbst den Gemeinderatsbeschluss mit, nach welchem kein Freibad geplant ist. Doch dann, Zitat Paula Mildner: „Schlägt es wie eine Bombe bei uns ein, im Stadtbad wird ein Bassin ausgehoben!“ Der Bürgermeister bedauert, nicht zu seinem Wort stehen zu können, doch nach Expertenmeinung wäre das Stadtbad ohne Freibad eine passive Abgelegenheit…

Unter neuerlicher Aufnahme von Hypotheken beginnt ein Neu- und Umbau nach Plänen des mit der Familie verwandten Bühnenarchitekten Ingo Biegler. Das Sommerbad wird bis zum Wohnhaus hinauf vergrößert, ein großer Sandplatz mit 30 Waggonladungen Donausand aus Krems angelegt, Liegewiesen auf zwei Terrassen werden geschaffen und diverse Turngeräte aufgestellt.

Die Ursachen für die Probleme der folgenden Jahre sind mannigfaltig: 2 Freibäder in einer kleinen Stadt in unmittelbarer Nähe, verregnete Sommer und die in Mode gekommenen Ziegelteiche. Viele private Bäder müssen sperren.

Während des 2. Weltkrieges kann der Betrieb durch die künstlerischen Tätigkeiten von Paula Schwamberger-Mildner mehr schlecht als recht aufrechterhalten werden, bis 1945 das gesamte Areal samt Wohnhaus durch 3 Bombentreffer und eine Luftmine schwer beschädigt wird.

Der Befehl zur sofortigen (!) Wiedereröffnung des Bades für die russische Besatzungsmacht erfolgt im Mai 1945: Wenige, nach Plünderungen verbliebene Habseligkeiten werden gegen Sand und Zement getauscht und es gelingt den beiden Frauen, Paula Schwamberger-Mildner und Tochter Erika, unter unvorstellbarem körperlichem Einsatz, den befohlenen Termin einzuhalten. 3 Sommer lang führen beide das Bad für die Besatzungsmacht. Zitat Paula: „Es grenzt an ein Wunder, dass mir und meiner Tochter in dieser Zeit nichts passiert ist, als die russischen Soldaten im Bad ein- und ausgingen und sich einfach splitternackt auszogen und ins Wasser sprangen. Viel, sehr viel mehr könnte ich über die Erlebnisse dieser Zeit erzählen.“

1948 stirbt Maria Schwarz, das Bad wird verpachtet und der Badebetrieb 1954 endgültig eingestellt.