Alte Musik in und aus Dänemark und aus dem Ostseeraum
 
Seitenstetten 2019

Kronborg-Motetten

Die Geschichte dieser drei Motetten aus der Flensburger Musiksammlung (die Bezeichnung „Kronborg-Motetten“ ist nicht historisch, sondern stammt von dem dänischen Musikwissenschaftler Ole Kongsted) ist ein Anhang zu der langen Geschichte eines Springbrunnens, die 1574 beginnt. In diesem Jahr begann König Frederik II. (1534 – 1588) damit, die alte Festung in Helsingør, die die Meerenge zwischen Dänemark und Schweden bewachte, zu einem Schloss auszubauen, das den Namen Kronborg tragen sollte und vielen Menschen bis heute als Schauplatz von Shakespeares Hamlet bekannnt ist. (Davon bekam Frederik allerdings nichts mehr mit.)

Im folgenden Jahr traf es sich, dass der berühmte Astronom Tycho Brahe sich am Hof seines Förderers und Astronomen-Kollegen, des Landgrafen Wilhelm IV., in Kassel aufhielt und dort Werke (wohl auch Springbrunnen) des Nürnberger Bronzegießers Georg Labenwolf kennenlernte, die ihn stark beeindruckten. Nach seiner Rückkehr nach Dänemark berichtete er König Frederik davon; dieser fand, dass ein Springbrunnen aus Labenwolfs Werkstatt sich im Schloss Kronborg sicherlich gut machen würde, und bestellte 1576 eine solche „Wasserkunst“. Labenwolf weilte im Winter 1576/77 in Dänemark, bei dieser Gelegenheit dürfte ein Vertrag zustande gekommen sein.

Doch jetzt begannen die Probleme: Labenwolf besaß nicht genug Geld, um die Materialkosten des monumentalen Werks vorstrecken zu können, und der König hatte einen Vorschuss von 1000 Talern bewilligt. Die Auszahlung dieser Summe sollten Kaufleute, die auf die eine oder andere Weise zwischen dem Ostseeraum und Nürnberg vernetzt waren, übernehmen. Aber die Entfernung war groß und die Kommunikation langsam. Wieder und wieder erklärte Labenwolf, wenn der König sich mal wieder über Mittelsleute beim Rat der Stadt Nürnberg nach der Lage der Dinge erkundigte, er würde ja gern weiterarbeiten, wenn er nur endlich den immer wieder erforderlichen Vorschuss erhielte. Tatsächlich trafen die zugesagten Gelder auch recht langsam und „tröpfelnd“ ein; ob der Meister in der Zwischenzeit andere Aufträge angenommen hatte, wie der Rat ihm später vorwarf, er selber aber kategorisch von sich wies, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass er sich im Materialbedarf ziemlich verschätzt hatte, was dem raschen Fortgang der Arbeit auch nicht eben förderlich war.

Jahre gingen ins Land, und in Kronborg stand immer noch kein Springbrunnen. 1581 schickte der inzwischen recht ungeduldige König einen Abgesandten an den Nürnberger Rat mit dem Auftrag, er solle sich selber in der Werkstatt umsehen und sich ein genaues Bild vom Fortgang der Arbeiten machen. Labenwolf erklärte dem Abgesandten wiederum, es fehle an Geld, deshalb gehe es nicht voran. Der König sagte notgedrungen eine weitere Zahlung von 1500 Talern zu und wünschte dafür, dass im Sommer 1582 endlich etwas plätschere in Kronborg.

Dem Rat war die ganze Angelegenheit natürlich allmählich höchst peinlich – wie steht eine Handels- und Handwerkerstadt da, wenn sich herumspricht, dass ein König seine bestellte Ware nicht bekommt –, und fortan schaute ein-bis zweimal wöchentlich der Ratsherr Joachim Pömer, der im Rat u.a. für die Handwerker zuständig war, bei Labenwolf vorbei und ließ seinen strengen Blick in der Werkstatt schweifen, um zu sehen, ob nicht doch heimlich an anderen Aufträgen gearbeitet wurde. Dem Meister wurde ausnahmsweise gestattet, mehr Leute anzustellen, als es die städtische Handwerksordnung eigentlich vorsah, es wurde ihm aber auch „ernstliche straf“ angedroht, wenn nicht endlich Resultate zu sehen waren.

Im Frühjahr 1582 war Labenwolf in Zahlungsschwierigkeiten – die zugesagten 1500 Taler waren wohl noch nicht eingetroffen. Der Rat sah die Not des Meisters und übte sich in Geduld. Im Sommer wurde dem König über den Fortgang der Arbeiten berichtet; dieser dankte, sagte abermals 800 Taler zu unter der Voraussetzung, dass der Brunnen im Frühjahr 1583 endlich aufgestellt werde. Es ging nun auch wirklich voran mit dem Werk – im Spätherbst 1582 ersuchte Labenwolf um die Genehmigung, den Brunnen im Stadtgraben aufzustellen, „um damit ein prob zu thun, ob und wie es lauffen werde“. So freuten sich die Nürnberger in der Weihnachtszeit am Springbrunnen im Stadtgraben, während in Kopenhagen der König vor Ungeduld brutzelte.

Endlich, im Februar 1583, erhielt Frederik die Nachricht, der Brunnen mit zwei Gehilfen Labenwolfs sei in Lübeck eingetroffen. Für die letzte Etappe musste nur noch abgewartet werden, bis die Ostsee eisfrei war. Im März oder April traf die Sendung schließlich in Helsingør ein, und bis August baute Labenwolf mit seinen Gehilfen den Brunnen auf. Seit der Bestellung waren 7 Jahre vergangen.

Leider hatte der König nicht mehr so viele Jahre Freude an dem Werk, wie er zuvor Ärger damit gehabt hatte – im April 1588, keine 5 Jahre später, starb er.

Dem Werk war leider kein langes Dasein beschieden. Die Schweden, die im 2. Nordischen Krieg 1658 Teile Dänemarks besetzt hatten, nahmen nach ihrer Niederlage 1659 u.a. den Brunnen aus Schloss Kronborg mit. Einige Figuren sind vermutlich noch erhalten, ein Großteil wurde aber eingeschmolzen.

Soviel zum Brunnen, kommen wir endlich zu den Motetten… Im Herbst 1582 schickte der Ratsherr Joachim Pömer einen Brief an Tycho Brahe, in dem er mitteilte, in Kürze werde der Brunnen zur Funktionsüberprüfung in Nürnberg aufgestellt. Diesem Brief lagen zwei lateinische und ein deutsches Gedicht bei, die Pömer bei dem Dichter Paul Melissus Schede in Auftrag gegeben hatte. Er bat Brahe um Rat, ob man diese Gedichte dem König zum Geschenk machen könne, und teilte mit, er habe einen „berühmbten musicus alhie“ gebeten, sie zu vertonen. Insofern ist die Frage wohl als rein rhetorische anzusehen. Die Antwort ist nicht erhalten, dürfte aber zustimmend gewesen sein. Nach Aktenlage wird klar, warum Pömer sich nicht direkt an den König gewandt hatte – die Gedichte bzw. Kompositionen waren keine offiziellen Gaben der Stadt Nürnberg, sondern Geschenke des Privatmannes Pömer, der – ganz und gar nicht frei von Eitelkeit – seinen Beitrag zum Gelingen des großen Kunstwerks entsprechend herausstellen wollte; als Privatmann konnte er sich aber unmöglich direkt an den König wenden, sondern musste sich des Mittelsmannes Tycho Brahe bedienen.

Wer ist aber der „berühmbte musicus alhie“? Der Musikwissenschaftler Ole Kongsted führt aus, dass unter den berühmten Musikern in Nürnberg die angestellten Stadtmusiker nicht in Frage kommen, da sie als Instrumentalisten kaum zu solchen Vokalkompositionen in der Lage sein dürften. Unter den Kirchenmusikern der Stadt bleibt letztlich als wahrscheinlichster Leonhard Lechner übrig; für diesen spricht insbesondere, dass er sowohl mit Pömer als auch mit Schede persönlich bekannt war. Allerdings hielt sich auch Orlando di Lasso, Lechners Lehrer, in der für die Komposition in Betracht kommenden Zeit in Nürnberg auf. Auch er kommt letztlich als Komponist der Kronborg-Motetten in Frage.

In laudem regii fontis

Leonhard Lechner? 6 Stimmen

Mein Hoffnung zu Gott allein

Leonhard Lechner? 5 Stimmen

Quam bene conveniunt

Leonhard Lechner? 6 Stimmen