Alte Musik im Stift Seitenstetten

Komponisten

John Adson

John Adson wurde 1586 oder 1587 in Watford, Northamptonshire, England, geboren (getauft am 24. Januar 1587). Sein hiervon abgesehen erstes dokumentiertes Auftreten ist seine Anstellung als Zinkenist am Hof von Herzog Charles III. von Lothringen in Nancy von 1604 bis 1608. Spätestens 1613 kehrte er nach England zurück und wurde Mitglied der City Waits in London (eine Tätigkeit, die ungefähr zwischen Stadtpfeifern und Nachtwächtern angesiedelt war bzw. Elemente beider Professionen umfaßte); dieses Amt behielt er bis zu seinem Tod. 1633 wurde er zusätzlich zum königlichen Blasmusiker ernannt; ferner sind für die Jahre 1634 und 1639 Einsätze bei The King’s Theatre Company nachgewiesen (ich habe nicht herausgefunden, was für eine Truppe das war). 1634 wurde er überdies Musiklehrer von König Charles I. und von diesem zum Master of the King’s Music ernannt.

Außer seinen Courly Masquing Ayres von 1621 sind nur vier weitere Stücke von ihm überliefert, leider unvollständig.

John Adson starb am 29. Juni 1640 in London.

Agostino Agazzari

Agostino Agazzari wurde am 2. Dezember 1578 in Siena in eine adelige Familie geboren. Nachdem er wohl in seiner Heimatstadt eine musikalische Ausbildung erhalten hatte, arbeitete er von 1601 oder 1602 in Rom, zuerst am Collegium Germanicum, dann am Collegium Romanum. In dieser Zeit freundete er sich mit Ludovico Grossi da Viadana an. 1607 kehrte er nach Siena zurück und wurde Organist und Kapellmeister an der dortigen Kathedrale. In diesem Jahr entstand sein Lehrwerk über den maßgeblich von Viadana entwickelten Basso continuo Del suonare sopra’l basso, einer der für die Verbreitung dieses revolutionären Stils bedeutendsten Traktate, das u.a. von Michael Praetorius im Syntagma musicum ausführlich zitiert wurde.

Möglicherweise war er eine Zeitlang am Hof von Kaiser Matthias in Prag oder Wien tätig – Genaueres habe ich nicht herausgefunden.

Das geistliche und weltliche Schaffen Agazzaris markiert den Übergang von der Renaissance zum Barock. Während seine geistlichen Werke durchweg im „modernen“ Stil des Basso continuo kom­po­niert sind (was uns nicht davon abhält, sie ohne B.c. zu spielen), sind seine Madrigale noch dem a-cappella-Stil der Renaissance verhaftet. Agazzari starb am 10. April 1640 in Siena

William Brade

William Brade wurde 1560 in England geboren. Wo genau und wann, ist nicht bekannt, ebenso wie es keine Kenntnis gibt über seine Ausbildung und musikalische oder kompositorische Tätigkeit während seiner ersten 30 Lebensjahre. Um 1590 verließ er England in Richtung Kontinent, vermutlich Deutsch­land. Fortan führte er ein sehr unstetes Leben mit Engagements an verschiedenen norddeutschen Für­sten­höfen, dem dänischen Königshof und der Stadt Hamburg, deren Dauer meist zwischen einigen Monaten und wenigen Jahren betrug – der Rekord für ununterbrochene Tätigkeit liegt bei 7 Jahren (dänischer Hof, 1599 – 1606).

Nach Ende seiner letzten Anstellung am herzoglichen Hof in Gottorf (bei Schleswig) 1625 ließ sich Brade in Hamburg nieder. Dort starb er am 26. Februar 1630.

Arnold von Bruck

Arnold von Bruck wurde um 1500 in Brügge (daher sein Name) geboren. Um 1506 wurde er als Kapell­knabe an der Hofkapelle des Herzogs von Bur­gund, Philipp des Schönen (Vater von Karl V. und Fer­di­nand I.) aufgenommen. Als dieser im selben Jahr starb, erbte sein Sohn Karl Herzogtum und Ka­pel­le. Mit beidem konnte er sicherlich als Sechsjähriger noch nicht so viel an­fan­gen; aber auf jeden Fall be­fan­den sich in dieser Zeit zwei etwa gleich­altrige Jungs namens Karl und Arnold am Hof der Regentin Margarethe von Österreich in Mecheln, und die Vorstellung, daß die beiden gemeinsam Fußball ge­spielt und Streiche ausgeheckt haben könnten, ist einfach zu schön.

Vermutlich blieb Arnold von Bruck etwa bis 1519 am Hof und dürfte u.a. bei Pierre de la Rue, der der Hof­kapelle ebenfalls angehörte, Unterricht gehabt haben.

Im Jahr 1527 soll er in Frankreich die Priesterweihe empfangen haben; im selben Jahr wurde er Kapell­mei­ster am Hof des Erzherzogs Ferdinand, des späteren Kaisers Ferdinand I., in Wien als Nachfolger von Heinrich Finck. In dieser Stellung verblieb er, bis er 1545 in den Ruhestand ging. Danach hielt er sich noch einige Zeit in Wien auf, war Kaplan an einem der Altäre des Stephansdoms und komponierte gelegentlich auch noch. Ab 1548 lebte er in Linz, wo er wohlsituiert am 6. Februar 1554 verstorben ist.

Josquin Desprez

Josquin Desprez (eigentlich wohl Josse Lebloitte dit Desprez – Josquin ist eine Verkleinerungsform von Josse –, andere Benennungen und Namensformen sind Josquin d’Ascanio, Josquinus Pratensis, Iodocus a Prato sowie diverse Kombinationen daraus) wurde wohl um 1450/55 in Nordfrankreich geboren, vermutlich in oder um Saint Quentin. Über seine Jugend ist nichts bekannt, außer daß 1466 sein Onkel Gille Lebloitte dit Desprez und seine Frau ein Testament zu seinen Gunsten aufgesetzt hatten. Sämtliche weiteren Aussagen stammen aus Quellen aus deutlich späterer Zeit und sind entsprechend wenig zuverlässig. Etwa die, daß Josquin – vielleicht zusammen mit seinem Freund(?) Jean Mouton – um 1460 Chorknabe in Saint Quentin wurde, oder daß er Schüler von Johannes Ockeghem war (den er allerdings tatsächlich kannte und bewunderte). Es kann als gesichert gelten, daß er zu Beginn der 1470er Jahre bereits ein berühmter Komponist war, denn er wird in der Motette „Omnium bonorum plena“ des etwas älteren Loyset Compère, die eine Fürbitte für eine Reihe bedeutender Komponisten enthält, unter diesen aufgeführt; diese Motette wurde vermutlich für die Weihe der der Kathedrale von Cambrai 1572 komponiert, auf jeden Fall aber nicht später als 1574, das Todesjahr von Guillaume Dufay, der die Reihe der Komponisten anführt.

Für die Jahre 1477 und 1478 ist Josquins Anstellung als Sänger in der Kapelle des überaus kunstsinnigen Herzogs René von Anjou in Aix-en-Provence dokumentiert (was nicht ausschließt, daß er bereits in den Jahren vorher dort tätig war). Möglicherweise ging seine Anstellung auch noch länger. 1480 starb René, der Staatsbesitz, zu dem auch die Kapelle gehörte, fiel kurz darauf als „Krondomäne“ an König Ludwig XI. und die Kapelle hatte sich an ihren neuen Dienstsitz Paris zu begeben. Vielleicht war Josquin dabei. Es gibt andererseits Hinweise, daß er sich nach 1480 bereits in Italien im Dienst des späteren Kardinals Ascanio Sforza befand. Schließlich erwähnt ein Dokument aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, das die ungarische Hofkapelle zu jener Zeit beschreibt, unter ihren Mitgliedern sei auch Josquin gewesen.

1483 jedenfalls hielt er sich in Conde-sur-l’Escaut auf, unweit seines Geburtsortes an der Grenze zu Burgund (heute zu Belgien), um das Erbe seines Onkels anzutreten und die Verwaltung des geerbten Grundbesitzes zu organisieren. Anschließend, im selben oder folgenden Jahr, begab er sich definitiv in den Dienst von Ascanio Sforza in Mailand. Von dort aus unternahm er mehrere Reisen nach Rom, möglicherweise auch nach Paris.

1489 wurde Josquin Mitglied der päpstlichen Kapelle, nachdem er möglicherweise dort bereits seit 1586 „als Gast“(?) mitgewirkt hatte, und blieb es wohl bis 1495. Ein mittlerweile berühmtes Graffito „Josquinus“, einer unter Hunderten von an der Cantoria (Sängerkanzel) der Sixtinischen Kapelle verewigten Sängernamen, würde, wenn es von unserem Josquin stammte – wovon die Wissenschaft inzwischen ausgeht –, aus dieser Zeit stammen. Es ist, sofern nicht doch noch Gegenbelege auftauchen, das einzige „Autograph“ unseres Meisters.

Wie Josquin die Zeit nach der Anstellung bei der päpstlichen Kapelle verbracht hat, ist wieder mal unsicher. Daß er dem burgundischen König Philipp dem Schönen 1495 ein Exemplar seines Stabat Mater zuschickte, legt die Vermutung nahe, daß den Noten die Anfrage nach einer Anstellung beilag. Falls dem so war, wurde diese Anfrage wohl abschlägig beschieden, denn es spricht vieles dafür, daß Josquin einige Jahre Mitglied der Hofkapelle des französischen Königs Ludwig XII. war.

Während dieser Zeit, im Jahr 1497, starb der Hofkapellmeister des Herzogs Ercole I. d’Este in Ferrara. Der Herzog war wohl recht wählerisch, jedenfalls zog sich die Suche nach einem Nachfolger jahrelang hin. Schließlich gerieten auch Josquin und Heinrich Isaac ins Visier der Agenten, die einen neuen Kapellmeister auftun sollten. Einem dieser Agenten namens Gian de Artiganova verdanken wir das einzige Dokument über den Charakter Josquins (und Isaacs; vielleicht erinnert sich jemand an die Musikwoche 2017, wo ich es schon einmal erwähnt habe). Als es letztlich darum ging, wer von diesen beiden Meistern die Anstellung bekommen sollte, schrieb Gian an den Herzog: „Mir scheint er [Isaac] gut geeignet, Euer Gnaden zu dienen, besser als Josquin, weil er zu seinen Musikern von liebenswürdigerem Wesen ist und öfter neue Werke komponieren will. Dass Josquin besser komponiert, ist richtig, aber er komponiert, wenn er es will und nicht, wenn man es von ihm erwartet, und er verlangt 200 Dukaten als Lohn, während Isaac für 120 kommen will …“ Josquin war der Beste und wußte es genau, übermäßige Bescheidenheit war ihm anscheinend nicht eigen. Trotz der Empfehlungen seines Agenten entschied sich der Herzog für Josquin. Im Juni 1503 erfolgte die erste üppige Gehaltszahlung an ihn.

Bereits ein Dreivierteljahr später, im April 1504, wurde die letzte Zahlung an ihn angewiesen, denn er hatte die lukrative und sicherlich musikalisch ebenso erfüllende Stellung bereits wieder aufgegeben und war Hals über Kopf in seine Heimat, nach Condé-sur-l’Escaut, gereist. Grund dafür war die in Ferrara grassierende Pest.

In Condé-sur-l’Escaut wurde Josquin Propst an der Kirche Notre Dame; eine Stellung, die beträchtlichen weltlichen und geistlichen Einfluß mit sich brachte, zumal die dortige Musikausübung von hoher Qualität war. Diese Stellung behielt er 17 Jahre, bis zu seinem Tode, bei. Er starb am 27. August 1521. Der Kirche Notre Dame vermachte er ein Haus und Grundbesitz, u.a. unter der Auflage, daß bei Prozessionen durch die Stadt sein vermutlich letztes Werk, die Doppelmotette „Pater noster – Ave Maria“ vor seinem Haus am Marktplatz zu singen sei.

Wie soll man Josquins Werk würdigen? Er war ohne Zweifel der bedeutendste Komponist der Zeit um 1500; ob auch der beste, oder ob nicht zumindest ein Heinrich Isaac neben ihm Platz findet (meiner bescheidenen Meinung nach durchaus), läßt sich wohl nicht beantworten. Aber sein großes Renommee brachte es mit sich, daß unzählige Kopisten seinen Namen an ihre „Hervorbringungen“ (was durchaus nicht durchweg negativ gemeint ist) schrieben, um sie besser verkaufen zu können. So ist ein nicht unbeträchtlicher Teil dessen, was unter Josquins Namen auf uns gekommen ist, wohl nicht von ihm, darunter ausgesprochene „Lieblinge“ wie „La Spagna“ – was mich nicht gehindert hat, es trotzdem in diese Sammlung aufzunehmen –, selbst vor dem großen „Mille regretz“ macht die Skepsis der modernen Forschung nicht halt. Insofern ist eine Beurteilung des Gesamtwerks schwierig, da es nicht sauber definiert ist. Das Problem mit den falschen „Josquins“ war durchaus schon in alten Zeiten bekannt. Vom Liedersammler und Komponisten Georg Forster stammt der Ausspruch aus dem Jahr 1540: „Ich erinnere mich an einen bedeutenden Mann, der sagte, dass Josquin jetzt, da er tot ist, mehr Werke herausbringt als zu Lebzeiten.“

Zusammenfassend kann man dem berühmten Ausspruch von Martin Luther wohl zustimmen: „Josquin ist der noten meister, die habens müssen machen, wie er wolt; die andern Sangmeister müssens machen, wie es die noten haben wöllen.“

Füllsack/Hildebrandt

Zacharias Füllsack (um 1570–1616) und Christian Hildebrandt (?–1649) waren Musiker in der Hamburger Ratskapelle und sind v.a. für die Herausgabe zweier Sammlungen von
Tanzstücken bekannt. Füllsack war als Posaunist und Lautenist auch an der Dresdner Hofkapelle tätig und spielte wiederholt auch am Hof in Gottorf.

Carlo Gesualdo

Carlo Gesualdo, Principe di Venosa, Conte di Conza, für uns versierte Musiker einfach Gesualdo, wurde am 8. März (nach anderen Quellen am 30. März) 1566 in Venosa, Süditalien, geboren. Sein Vater war Fabrizio II., Fürst von Venosa, sein Onkel der Kardinal und Erzbischof von Mailand Carlo Borromeo (1610 heiliggesprochen), seine Mutter eine Nichte von Papst Pius IV. Man kann ihn also als relativ gut vernetzt in höheren Kreisen be­trach­ten.

Carlo Gesualdo heiratete 1586 seine Cousine Maria d’Avalos; die beiden hatten einen Sohn namens Emanuele. Aber die große Liebe war’s wohl nicht, jedenfalls hatte Maria eine Affäre mit einem anderen Adeligen, Fabri­zio Carafa. Carlo erfuhr davon, erwischte beide 1590 in flagranti und ermor­dete sie, dem Vernehmen nach auf überaus brutale Weise. Ein gerichtliches Nachspiel gab es nicht für ihn – solche „Ehrenmorde“ unter Adeligen wur­den nicht geahndet. Carlo floh trotzdem, um der Rache der Familien der Opfer zu entgehen, und begab sich nach Schloß Gesualdo in Avellino, Kampanien, wo er die nächsten vier Jahre blieb, von seinem Gewis­sen gepeinigt. Über den Verbleib des Sohnes Emanuele in den folgenden Jahrzehnte habe ich nichts in Erfahrung bringen können.

1594 reiste Carlo nach Ferrara und heiratete Leonora d’Este. Möglicherweise hatte die Hochzeit oder mehr noch das reiche Musikleben am Hof d’Este einen positiven Einfluß auf seinen Gemütszustand, da er ermutigt wurde, seine reichlichen Emotionen (wohl immer noch großenteils Gewissensbisse) in musikalischer Kreativität zu kanalisieren. Allein 1594 veröffentlichte er zwei Madrigalbücher, zwei wei­te­re in den beiden folgenden Jahren. 1595 wurde dem Paar ein Sohn geboren – seinen Namen habe ich nicht herausfinden können. Etwa 1597 kehrte Carlo mit Frau und Sohn nach Gesualdo zurück.

Die Ehe mit Leonora verlief nicht glücklich. Ihr Sohn starb 1600. Anscheinend mißhandelte Carlo seine Frau öfter, so daß sie längere Zeit von ihm getrennt lebte (aber doch immer wieder zurückkehrte). Ihre Verwandten versuchten, eine Scheidung der Ehe zu erreichen. Carlo verfiel mehr und mehr in De­pres­sionen und verließ das Schloß fast nie. Er hatte mehrere Diener, deren Aufgabe darin bestand, ihn auszupeitschen (darunter einen Spezialisten, der das auf der Toilette zu erledigen hatte) und führte nach 1610 einen Briefwechsel mit Federico Borromeo, dem Vetter seines oben erwähnten und gerade frisch heiliggesprochenen Onkels Carlo Borromeo, um die Überlassung irgendwelcher Reliquien – sprich: Körperteile – zu erreichen (wenn man schon einen Heiligen in der Familie hat…), von denen er sich eine Linderung seiner Depressionen und vielleicht sogar Absolution für seine Taten erhoffte. Er bekam eine Sandale. Immerhin.

In dieser späten Lebensphase erschien sein letztes und beeindruckendstes Werk, die Tenebrae-Respon­sorien.

Am 20. August 1613 starb Emanuele, Carlos Sohn aus erster Ehe, bei einem Jagdunfall. Auf die Todesnachricht hin zog sich Carlo ins Cembalo-Zimmer seines Schlosses zurück, ließ sich wohl sehr gehen und starb 18 Tage später, am 8. September 1613.

Francisco Guerrero

Francisco Guerrero zählt neben Cristóbal de Morales und Tomás Luis de Victoria zu den größten spanischen Komponisten des 16. Jahrhunderts. Er wurde vermutlich 1528 in Sevilla geboren. Seine erste musikalische Aus­bil­dung erhielt er von seinem älteren Bruder Pedro; später kümmerte sich u.a. Cristóbal de Morales darum. 1546, mit 17 oder 18 Jahren, wurde Francisco Kapellmeister an der Kathedrale von Jaén, östlich von Sevilla. Drei Jahre später kehrte er nach Sevilla zurück, als Sänger an der Kathedrale. Seine Kompositionen verkauften sich im In- und Ausland sehr gut und ver­schaff­ten ihm bereits in jungen Jahren ein hohes Ansehen. In Sevilla wurde – um ihn von Wegzugsgedanken abzubringen – extra für ihn die Stelle eines Assistenten des Kapellmeisters geschaffen, die er 1551 antrat, sowie ihm zugesagt, daß er nach dem Tod des Kapellmeisters dessen Stelle er­hal­ten werde. Der Kapellmeister wurde allerdings uralt – schön für ihn, be­dau­erlich für Francisco, der die Nachfolge erst 23 Jahre später, im Jahr 1574, übernehmen konnte.

Von 1581 bis 1582 war er in Rom; eine weitere Romreise machte er 1588, wobei er bei dieser Gelegen­heit einen Abstecher nach Venedig machte, um dort die Ausgabe seiner Canciones y Villanescas espirituales zu überwachen.

Ebenfalls 1588 begab sich Francisco ins Heilige Land, besuchte Damaskus, Bethlehem und Jerusalem. Auf der Rückkehr nach Spanien wurde er von Piraten gefangengenommen und mußte freigekauft werden. Sein Buch über diese Reise mit dem Titel Viage de Hierusalem, 1590 erschienen, war ein außer­ordent­licher Erfolg und wurde bis in neueste Zeit nachgedruckt.

Die Piratenepisode und wirtschaftliche Fehlentscheidungen führten zu prekären finanziellen Verhält­nis­sen, die 1591 in einer vorübergehenden wohlbehüteten Unterbringung Franciscos auf königliche Ko­sten bei gesiebter Luft und kariertem Sonnenschein führten. Das Kapitel von Sevilla erklärte sich dann aber angesichts seiner Verdienste bereit, die Schulden zu übernehmen, und Francisco kehrte auf freien Fuß und seinen Kapellmeisterposten zurück.

Diesen Posten behielt er bis zu seinem Tod. Am 8. November 1599 starb er in Sevilla an der Pest.

Valentin Haußmann

Valentin Haußmann, geboren um 1560 wohl in Gerbstedt unweit Halle. Sein Vater soll ein Musiker gewesen sein, der ebenfalls Valentin mit Vornamen hieß und mit Luther und Johann Walter persönlich bekannt gewesen sein. Seine Schul- und Studienzeit hat Haußmann angeblich zunächst im Harz (Quedlinburg, Wernigerode) verbracht, später dann in Regensburg, wo Andreas Raselius sein Lehrer gewesen sein soll. Nach dem Studium war seine erste Anstellung als Hauslehrer in Steyr (einer Quelle zufolge). Alles in allem ist die Quellenlage über seine Jugend und Ausbildung (und letztlich auch den Rest seines Lebens) zwischen etwas und überaus vage.

Den Gelegenheiten seiner frühen Kompositionen bzw. den Orten, mit denen die Widmungen unterzeichnet sind, zufolge hat sich Haußmann mindestens bis 1594 im süddeutschen Raum aufgehalten. In den Jahren 1597 – 1598 ist sein Aufenthalt in Norddeutschland nachgewiesen, danach war er wahrscheinlich in Preußen und Polen unterwegs. Aus der Aussage im Vorwort der „Fragmenta“ 1602, er sei mehr-mals nach Magdeburg gekommen, das letzte Mal von Hamburg her, ist auf weiterhin rege Reisetätigkeit zu schließen.

Ungeachtet dieses bewegten Lebens fühlte sich Haußmann doch immer seiner Heimatstadt Gerbstedt verbunden, wo er wohl auch permanent das Bürgerrecht besaß. Er nannte sich durchweg Valentin Haußmann Gerbipol(ensis) bzw. sein Monogramm lautete V.H.G. nach dem latino-gräzisierten Namen Gerbipolis für Gerbstedt. Er hat sich wohl auch zwischen seinen Reisen immer wieder dort aufge-halten. Angeblich war er dort Ratsherr und Organist.

Über Haußmanns Ableben ist nichts bekannt, auch wenn einige Quellen mitteilen, er sei in Gerbstedt verstorben (sie teilen leider nicht mit, woher sie das wissen). Im Jahr 1614 veröffentlichte der Komponist Johann Jeep im 2. Teil seiner Sammlung Studentengärtlein ein Lied, in dem der Tod Haußmanns beklagt wird; dieser kann sich also nicht nach 1614 ereignet haben.

Haußmanns Werk ist zum großen Teil weltlich – geistliche Musik lag ihm weniger; es gibt deshalb neben einigen geistlichen Einzelwerken nur eine einzige Motetten-sammlung. Neben Liedern spielen Instrumentalstücke eine wesentliche Rolle; eine große Menge Tänze hat er in Polen und Preußen gesammelt und vermutlich mit eigenen Sätzen versehen (daneben gibt es aber z.B. auch Stücke aus England). Ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Instrumentalmusik sind die Paduanen und Galliarden sowie die beiden Fugen der Sammlung Neue Paduane und Galliarde von 1604. Neben dem eigenen kompositorischen Werk hat Haußmann zahlreiche Canzo-netten von Marenzio, Vecchi, Morley und anderen mit deutschen Texten (mehr oder weniger eng an die Originaltexte angelehnt) versehen und dieser Musikgattung im deutschen Sprachraum zu Beliebtheit verholfen.

Johann Heugels

Über Johann Heugels (auch Johannes H. oder Hans H.) Geburtsort und -jahr besteht Uneinigkeit. Ältere Quellen geben an, er sei um 1500 in Deggen­dorf an der Donau (Niederbayern) geboren worden; dies scheint mittlerweile widerlegt zu sein, und man nimmt an, daß Heugel um 1510 in Hessen, ent­weder in der Marburger Gegend oder in Kassel, geboren wurde. Seine vor­züglichen Lateinkenntnisse lassen darauf schließen, daß er eine gute Schul­bildung genossen haben dürfte. Seine musikalische Ausbildung hat er an­schei­nend zu einem nicht unwesentlichen Teil in Südwestdeutschland und/ oder der Schweiz erhalten. Spätestens 1536 kam er nach Kassel; in diesem Jahr wurde er Landgraf Philipps zu Hessen Gesangsmayster. Im Dienst des Kas­seler landgräflichen Hofes blieb er, zuerst bei Philipp I., „dem Großmütigen“, dann bei Wilhelm IV., „dem Weisen“, bis zu seinem Tode. 1547 wurde er zum Kapellmeister befördert.

Neben seiner musikalischen Tätigkeit war Heugel auch als Bauschreiber im Dienst der Stadt Kassel und des Hofes tätig, hatte in dieser Funktion Bautätigkeiten zu dokumentieren und Handwerker zu be­zah­len.

Heugel brachte die Hofkapelle des seinerzeit recht kleinen Hofes auf hohes Niveau. Vor seinem Dienst­antritt bestand sie fast nur aus Trompetern (wobei ich davon ausgehe, daß diese, wie damals üb­lich, durchaus mehrere Instrumente beherrschten), denen nötigenfalls kurzfristig engagierte Kollegen zur Seite gestellt wurden; jetzt kamen ungefähr 12 angestellte Sänger (6 Erwachsene und 6 Knaben) hinzu.

Die Aufgabe eines Kapellmeisters bestand neben der Leitung der Musikausübung auch im Aufbau und der Pflege eines Repertoires. Zeugen von Heugels diesbezüglichem Wirken sind 12 Bücher, von ihm selbst mit der Hand geschrieben, mit über 730 Werken, davon etwa 500 Kompositionen von ihm, über­wiegend Motetten von 3 bis 12 Stimmen; wenige Komponisten seiner Zeit können auf ein Werk ähn­lichen Umfangs zurückblicken. Gedrucktes von ihm gibt es kaum, er scheint auch keinen großen Wert darauf gelegt zu haben. Dessenungeachtet war er zu Lebzeiten über seinen recht engen Wirkungskreis hinaus ein berühmter Mann, und Kompositionen von ihm finden sich etwa im Repertoire der Kapelle am königlichen Hof in Kopenhagen. Allerdings geriet er bald nach seinem Tod in Vergessenheit – ob wegen sich wandelnden Geschmacks, wegen der mangelnden Verbreitung seiner Werke im Druck oder wegen der Schwierigkeit und Instrumentenhaftigkeit seiner Vokalmusik, darüber kann man lange dis­ku­tieren. Muß man aber nicht.

Johann Heugel starb Ende 1584 oder Anfang 1585 in Kassel.

Anthony Holborne

Über Anthony Holborne ist nicht besonders viel bekannt. Er wurde um 1545 in England geboren; 1562 begann ein gewisser Anthony Holburne ein Studium in Cambridge – vielleicht unser Mann. Ein Londoner desselben Namens wurde 1565 in den Inner Temple Court in London aufgenommen, eine Aus­bil­dungsstätte für Juristen. Falls dieser angehende Advokat mit unserem Komponisten identisch ist, wis­sen wir jetzt also, daß der Musik nicht in jeder seiner Lebensphasen sein Hauptaugenmerk galt. Sicher ist, daß Anthony Holborne einen Bruder namens William hatte, der ebenfalls komponierte, daß er 1584 heiratete und drei Töchter hatte. In seinen Werkausgaben bezeichnete er sich als Servant to her most excellent maiestie. Es ist allerdings nicht ganz klar, worin seine Dienste bestanden, jedenfalls ist er in den Listen der Chapel Royal nicht verzeichnet. Nebenbei arbeitete er, wie Robert Dowland (John Dowlands Sohn) schrieb, als Gerichtsdiener.

Es gibt zwei Ausgaben mit Werken von Holborne: The Cittarn Schoole von 1597, ein Schul- und Sam­mel­werk für die Cister, dessen Inhalt wohl im Laufe vieler Jahre entstanden ist und von Holborne selbst als „die verfrühten Früchte meiner Jugend“ bezeichnet wird; und die Pavans, Galliards, Almains and other short Aeirs von 1599, die zweifellos einen Höhepunkt der englischen Tanzmusik jener Zeit darstellen.

Anthony Holborne starb am 29. November 1602, einer Mitteilung seiner Frau zufolge an einer Er­kältung.

Heinrich Isaac

Heinrich Isaac (andere Namensformen: Ysaac, Ysac, Ysach; in Italien auch Arrigo il Tedesco [Heinrich der Deutsche] oder Arrigo d’Ugo [Heinrich, der Sohn von Hugo]) wurde um das Jahr 1450 in Flandern geboren. Abgesehen von der Tatsache, daß sein Vater Hugo hieß und im Februar 1489 starb, liegt seine Herkunft im Dunkeln. Auch über seine musikalische Ausbildung ist nichts bekannt. Jeden­falls scheint er um 1484 bereits so berühmt gewesen zu sein, daß er das Interesse von Lorenzo de‘ Medici, ge­nannt Il Magnifico (der Prächtige) in Florenz weckte, der ihn als Sänger für den Dom anwarb.

Das erste sichere Dokument ist ein Zahlungsbeleg vom 15.9.1484, eine Zahlung an Hainrichen ysaac Com­ponisten am Hof von Siegmund dem Münzreichen, Herzog von Tirol, in Innsbruck; vermutlich hielt sich Isaac auf der Durchreise nach Italien einige Zeit dort auf und betätigte sich kompositorisch.

Zu Lorenzo de‘ Medici hatte Isaac ein enges und vertrauensvolles Verhältnis. Er unterrichtete die Söh­ne Lorenzos, darunter Giovanni, den späteren Papst Leo X., in Musik und schrieb Musik zu einigen von Lo­ren­zos Gedichten. Leider kamen die glücklichen Zeiten jäh zum Ende – im April 1492 starb Lo­ren­zo unerwartet, nur 43-jährig. Nach einem kurzen Intermezzo im Dienst von Lorenzos Sohn Piero de‘ Medici wandte sich Isaac etwa 1495 nach Pisa.

Dort hielt sich im Herbst 1496 nach einem recht dilettantischen und folgerichtig gescheiterten Versuch, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, der römisch-deutsche König und spätere Kaiser Maximilian I. auf. Flämische Musiker genossen an Fürstenhöfen einen hervorragenden Ruf, und der musikbegeisterte Maxi­milian dürfte hocherfreut gewesen sein, einem solchen Musiker ohne Anstellung zu begegnen, und nahm Isaac als Hofkomponisten in seinen Dienst. Umgehend begab dieser sich nach Wien. Im April 1497 unterschrieb er in Innsbruck sein Dienstgelöbnis als Componist und diener.  In den folgenden Jahren war Isaac im Gefolge Maximilians viel unterwegs in Österreich und Süddeutschland.

Ab 1502 lebte er wieder hauptsächlich in Florenz – es hatte schon Vorteile, nicht Hofkapellmeister zu sein (als solcher hätte er bei König und Kapelle sein müssen), sondern Hofkomponist (komponieren kann man überall). Im gleichen Jahr bewarb er sich allerdings um die Leitung der Hofkapelle des Her­zogs Ercole I. d’Este in Ferrara. In der engeren Wahl war außer ihm auch Josquin Desprez. Einer der mit der Auswahl befaßten Agenten, Gian de Artiganova, schrieb im September 1502 an den Herzog:

„Ich muss Euer Gnaden mitteilen, dass Isaac der Sänger in Ferrara gewesen ist und eine Motette über eine ‚La mi la sol la sol la mi‘ betitelte Fantasie geschrieben hat; diese ist sehr gut, und er schrieb sie in zwei Tagen. Daraus kann man nur schließen, dass er sehr schnell in der Kunst der Komposition ist; im übrigen ist er gut artig und umgänglich. … er hat sich die Zeit von einem Monat für die Antwort ausbedungen, ob er dienen will oder nicht. … Mir scheint er gut geeignet, Euer Gnaden zu dienen, besser als Josquin, weil er zu seinen Musikern von liebenswürdigerem Wesen ist und öfter neue Werke komponieren will. Dass Josquin besser komponiert, ist richtig, aber er komponiert, wenn er es will, und nicht, wenn man es von ihm erwartet, und er verlangt 200 Dukaten als [Jahres-]Lohn, während Isaac für 120 kommen will …“.

Der Herzog entschied sich dann trotz des schwierigeren Wesens und der deutlich höheren Gehalts­forderung für Josquin.

Im folgenden Jahr, 1503, kam Maximilians Sohn Philipp der Schöne aus Burgund mit­samt seiner Hofkapelle unter Leitung von Pierre de la Rue in Innsbruck zu Be­such. Isaac komponierte zu diesem Anlass die Missa Virgo prudentissima und war mit der Wiener Hofkapelle anwesend, des weiteren der Hoforganist Paul Hof­haimer und möglicherweise Jacob Obrecht auf der Durchreise nach Italien – ein seltenes „Gipfeltreffen“ einiger der berühmtesten Komponisten ihrer Zeit.

Von April bis Juli 1507 fand in Konstanz ein Reichstag statt, auf dem Maximilian sich u.a. von den Reichsständen (Kurfürsten, Landes- und Stadtherren usw.) die – v. a. finanzielle – Unterstützung für seine Reise nach Rom, um sich dort vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen, einholen wollte, ferner für die Zurückdrängung der Franzosen aus Italien und schließlich für einen Kreuzzug gegen die Türken. Mit dabei waren die Hofkapelle mit dem Hofkomponisten Isaac und dem Hoforganisten Hofhaimer.

1508 schlug der Wiener Hofkapellmeister und spätere Bischof von Wien, Georg Slatkonia, dem Konstanzer Domkapitel vor, Isaac mit der Komposition von Motetten zum Mess-Proprium aller Hauptfeste (d.h. aller Sonntage und was dazwischen so anfällt) des Kirchenjahres zu beauftragen. Dieses Werk, sein größtes, mit dem Titel Choralis Constantinus war ein Jahr später vollendet. Allerdings hat Isaac den Druck seines Werkes nicht mehr erlebt; sein Schüler Ludwig Senfl hat die Druckausgabe vorbereitet, aber auch er war schon lange verstorben, ehe es in den Jahren 1550 bis 1555 endlich in Nürnberg herauskam.

1510 verlieh der Kaiserhof Isaac Landgüter im Val Policella bei Verona; möglicherweise sollten deren Einkünfte als Ersatz für bar zu zahlendes Salär dienen. Isaac lebte weiterhin in Florenz und nahm offenbar für den Kaiser beim Haus Medici diplomatische Aufgaben wahr (Isaac sei „uns in Florenz nutzer dann an unserm Hof“) – und, wie gesagt, Kompositionen schicken konnte er auch von Florenz.

1513 wurde sein früherer Schüler Giovanni de‘ Medici, Sohn von Lorenzo dem Prächtigen, zum Papst gewählt und nannte sich Leo X. Aus Anlaß des Antrittsbesuchs des kaiserlichen Gesandten Matthäus Lang 1513/14 komponierte Isaac die große Staatsmotette Optime pastor. Der Besuch diente sicherlich auch der Versicherung, daß man in der insgesamt instabilen und wechselhaften politischen Lage zwischen den Mächten Kaiser, Papst, Venedig und Frankreich (nebst weiteren) auf derselben Seite stand; und wer konnte die Gemeinsamkeit besser betonen als Isaac, der kaiserliche Hofkomponist, der mit dem Papst seit dessen Kindheit persönlich bekannt war? Insofern kann diese Motette, in der das gemeinsame Interesse des Kampfes gegen die Türken und andere Feinde (Venedig, Frankreich?) betont wird, auch als diplomatischer Akt verstanden werden.

Im Herbst 1516 erkrankte Isaac. Im Dezember machte er sein letztes Testament (das dritte), in dem er der Laienbruderschaft Santa Barbara, deren Mitglied er seit 1502 war, ein Vermögen hinterließ, das dem Viertel des Wertes seines Hauses entsprach. Er starb am 26. März 1507.

Kopenhagener Stimmbücher von 1541

In der Königlichen Bibliothek Kopenhagen liegt unter der Signatur „Gl. kgl. Samling 1872.4°“ (allgemein zitiert als „KB 1872“) ein ganz besonderer Schatz: 7 handgeschriebene Stimmbücher, bis auf eines unversehrt, die zum Repertoire der königlichen Hofkapelle gehörten. Wir haben hier also die Besonderheit (neben der Tatsache, dass das Überleben der Bücher in Kopenhagen über Jahrhunderte voller Kriege, Stadtbrände usw. schon gewissen Seltenheitswert hat), dass wir die Exemplare haben, aus denen tatsächlich am Hof gespielt wurde, und somit der Hofkapelle ein wenig über die Schulter schauen können.

Die original erhaltenen Einbände der Stimmbücher tragen die Jahreszahl 1541. Man sollte aber nicht davon ausgehen, dass das Werk in diesem Jahr vollendet worden ist – die Bücher wurden erst gebunden und dann vollgeschrieben…

Die Stimmbücher enthalten 163 Stücke zu 5 bis 16 Stimmen verschiedener Genres. Man findet Lieder, Motetten, Einzelsätze von Messen und verschiedene Arten von dezidierter Instrumentalmusik. Ein großer Teil ist ohne Komponistenangabe, die genannten Komponisten sind überwiegend die „großen Namen“ Europas – Josquin Desprez, Ludwig Senfl, Antoine Brumel, Nicolas Gombert, Caspar Othmayr, Philippe Verdelot, daneben u.a. die eher lokal bedeutenden Adrian Petit Coclico und Jørgen Presten. Nicht wenige der hier überlieferten Stücke sind Unica, d.h. es sind keine anderen Ausgaben bekannt.

Fast das gesamte Werk wurde von einem einzigen Schreiber hergestellt. Dieser ist nirgends genannt; hauptsächlich auf Grund von Schriftvergleichen mit Briefen kann man aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass es der Erste Trompeter der Hofkapelle, Georg Heyde (in Dänemark: Jørgen Heyde), war. Dieser ist erstmals 1535 nachgewiesen als Trompeter am Hof des preußischen Herzogs Albrecht in Königsberg. Wohl wegen Streitigkeiten innerhalb der Kapelle wechselter er 1542, ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben der Herzogs, nach Kopenhagen an den Hof von Christian III., dem Schwager des Herzogs. Auf ihn warteten neben den vielfältigen Aufgaben des Ersten Trompeters auch schon die im Vorjahr gebundenen, aber noch leeren Stimmbücher…

Fehler können jedem passieren…

Wie die Stücke aus den Stimmbüchern aufgeführt worden sind, ist nicht ganz klar. Es handelt sich zum überwiegenden Teil um Vokalmusik, allerdings sind nur wenige Texte unterlegt, und dann auch meist nur in der Bassus-Stimme. Die Hypothese, die Noten seien von den Sängern der Hofkapelle benutzt worden, die als Profis die Texte auswendig kannten, überzeugt mich nicht – sie hätten dann auch die Noten auswendig gekonnt, und man hätte keine Stimmbücher gebraucht. Einigen Stücken sind Instrumentierungsanweisungen („Krumbhörner“; „4 Zincken und 4 Pusaun“ usw.) hinzugefügt. Man kann davon ausgehen, dass die Noten für die Bläser bestimmt waren. Ob als Begleitung für Sänger, deren Noten nicht erhalten sind, oder für eine rein instrumentale Verwendung, ist nicht abschließend geklärt.

Orlando di Lasso

Orlando di Lasso (auch Roland de Lassus) wurde um 1532 in Mons im Hennegau (heute Belgien, süd­westlich von Brüssel) geboren. Als Kind war er Kapellknabe in seiner Heimatstadt und erregte durch sei­ne schöne Stimme die Aufmerksamkeit von Anwerbern von adeligen Höfen, die das Land auf der Suche Nachwuchs für die Kapellen durchstreiften. Es wird berichtet, dass er von solchen Agenten zweimal entführt wurde und von seinen Eltern zurückgeholt werden musste. 1544, also mit ungefähr 12 Jahren, trat er in den Dienst von Ferrante Gonzaga, Vizekönig von Sizilien, der zufällig in der Gegend war, und begleitete diesen auf seiner über ein Jahr währende Heimreise nach Palermo. Im folgenden Jahr wurde sein Dienstherr in Mailand zum Gouverneur ernannt und nahm seine Musiker natürlich mit dort­hin  Als Orlando 1549 in den Stimmbruch kam, gab Ferrante ihn in die Obhut eines Bekannten in Neapel. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, er kam ganz schön rum in Italien und eignete sich um­fassende musikalische, sprachliche und allgemein „gesellschaftliche“ Kenntnisse vom Leben bei Ho­fe wie bei den einfachen Leuten an.

1553 wurde er Kapellmeister der Cappella Pia an der Lateranbasilika, der nach dem Petersdom zweit-be­deu­tendsten Kirche Roms; man geht davon aus, dass bei der Vergabe so eines prestigeträchtigen Postens an einen etwa 21-Jährigen wohl Vitamin B im Spiel war – möglicherweise hat hier Kardinal Ercole Gon­za­ga, der Bruder seines ersten Dienstherrn, ein gutes Wort eingelegt. Aber schon ein gutes Jahr später verließ Orlando die Cappella Pia (sein Nachfolger war übrigens Giovanni Pierluigi da Palestrina), um sich in seine Heimat zu begeben, weil es seinen Eltern schlecht ging. Leider waren sie bei seiner Ankunft bereits verstorben. Er reiste dann zusammen mit einem Freund gleich weiter Richtung England, wo die große Hochzeit von Prinz Philipp von Spanien (dem zukünftigen König Philipp II.) mit Mary Tudor (der zu­künf­tigen Königin Mary I.) unmittelbar bevorstand. Der Freund, soviel ist bekannt, bekam in England eine Mordanklage an den Hals und musste, um ebendiesen zu retten, bei Nacht und Nebel das Land wie­der verlassen. Ob Orlando mit in England war oder ihn nur bis irgendwo in Frankreich begleitet hat, darüber habe ich unterschiedliche Angaben gefunden.

Nächste, wiederum gesicherte Station auf seinem Lebensweg war dann jedenfalls Antwerpen. Hier hielt er es tatsächlich mal zwei Jahre aus. Dies war eine Stadt nach dem Geschmack eines weltgewandten Mu­sikers – hier kamen Leute aus aller Herren Länder zusammen, darunter sicherlich haufenweise so­wohl Fachkollegen als auch anderweitig interessante Kontakte; und hier residierten renommierte Musik­verleger (u.a. ein besonders renommierter namens Tielman Susato) mit denen Orlando alsbald in frucht­bare Geschäftsbeziehungen eintrat.

So schön es in Antwerpen auch war, vom Komponieren und Notenverkaufen allein lebt es sich längst nicht so schön wie als Kapellmeister an einem Fürstenhof. Mit den Widmungen in seinen Drucken hoff­te er, dass sich einer der Adressaten (im allgemeinen einflussreiche Herrschaften aus dem näheren Umkreis von Königen, Herzogen etc.) bei seinem Herrn für ihn verwenden würde. Italien oder Spanien käme ihm ganz recht. Leider hatte er mit dieser Methode keinen Erfolg. Aber der Augsburger Kaufmann Johann Jakob Fugger wurde auf ihn auf­merk­sam und nutzte seine guten Verbindungen zum Hof des Herzogs Al­brecht V. in München, um ihn dorthin zu vermitteln; dort konnten sie wohl ge­ra­de einen Tenorsänger brauchen. In dieser Kapelle, die einige Jahrzehnte zuvor von Ludwig Senfl aus einer mittelprächtigen Musikantentruppe in ein hochwertiges Ensemble verwandelt worden war, bezog er von Anfang an ein bemerkenswert hohes Gehalt, so dass vermutet wird, dass er neben dem eigentlichen Kapellmeister Ludwig Daser auch dessen Aufgaben mit versah. Ihr gegenseitiges Verhältnis war denn auch nicht ganz ungetrübt. Ein Grund, warum Daser den Neuankömmling Orlando vor die Nase gesetzt be­kam, war wohl, dass er (Daser) deutlich mit dem Protestantismus lieb­äugel­te (und später auch konvertierte); damit kam er bei Herzog Albrecht überhaupt nicht gut an. Er wurde krank, konnte kaum noch arbeiten, verließ München 1563 und begab sich in evangelische Gefilde, nach Stuttgart. Dort ging es ihm wieder besser.

Neben dem Komponieren, dem Unterricht für die Chorknaben und dem Abhalten von Proben mit der Kapelle gehörte zu Orlandos Pflichten auch das Herumreisen in Europa zwecks Gewinnung neuer Musi­ker. In den ersten Jahren fühlte er sich allerdings am Hof nicht besonders wohl, er soll sogar er­wogen haben, sich anderswo nach einer Stelle umzutun. Die Arbeitsbedingungen waren nicht ideal; der Herzog verlangte dauernd neue Kompositionen, betrachtete diese aber dann als sein ausschließliches Eigentum und erlaubte dem Komponisten nicht, seine eigenen Werke drucken zu lassen. Aber im Laufe der Zeit verbesserte sich sein Verhältnis zu seinem Dienstherrn, insbesondere als er 1563 offiziell als Dasers Nachfolger Hofkapellmeister wurde.

Allerdings befürchtete man bei Hofe immer wieder, ihr Star (und das war Orlando zweifellos) könne sich doch mal eine neue Stelle suchen. Er hatte Kontakte zu Höfen in ganz Europa, und sein Dienst­herr – zuerst Albrecht, ab 1579 sein Sohn Wilhelm – sah es nicht gern, wenn mal wieder Briefe aus fernen Ländern für den Kapellmeister kamen… Aber Orlando blieb dem Münchner Hof erhalten.

1591 erkrankte er (möglicherweise hatte er einen Schlaganfall), erholte sich aber wieder und nahm seine Kapellmeister-Tätigkeit wieder auf, obwohl ihm der Herzog angeboten hatte, in den Ruhestand zu gehen; vielleicht war ihm das Ruhestands-Gehalt zu niedrig. Es gab immer wieder finanziell bedingte Stellenstreichungen in der Hofkapelle, und 1594 stand Orlando selber auf der Streichliste, kam der Entlassung aber zuvor. Nachdem er im Mai noch seine Bußtränen des Heiligen Petrus fertiggestellt hatte, starb er kurz darauf, am 14. Juni 1594.

Michael Praetorius

ichael Praetorius wurde 1571 (oder 1572, aber das wäre weniger schicksalhaft und insofern bedauerlich) in Creuzburg an der Werra, nahe Eisenach (heute im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt) geboren. Sein Vater, Michael Schulteis – Praetorius ist die lateinische Übersetzung von Schultheiß – , war lutherischer Pfarrer. Praetorius besuchte die Lateinschule in Torgau (Sachsen), später die in Zerbst (Anhalt). 1585 nahm er das Studium der Philosophie und Theologie an der Universität Frankfurt an der Oder auf. Ende 1586 starb sein älterer Bruder Andreas, Theologieprofessor an der Frankfurter Universität, der für seinen Lebensunterhalt gesorgt hatte; daraufhin übernahm Praetorius, obwohl er über den schulischen Musikunterricht hinaus keine musikalische Ausbildung erhalten zu haben scheint, das Amt des Organisten an der dortigen Universitäts- und Pfarrkirche St. Marien, führte daneben aber seine Studien weiter. Seine Anstellung endete nach etwa 3 Jahren, um 1590 verließ er Frankfurt ohne Studienabschluß.

1592 oder 1593 kam Praetorius nach Wolfenbüttel bei Braunschweig, seit spätestens 1595 war er im Dienst des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg tätig, zunächst als Organist. Am 2.8.1596 nahm er an der Gröninger Orgelprobe teil, möglicherweise als Organisator. In Gröningen in der Nähe von Halberstadt hatte Heinrich Julius eine prachtvolle Residenz; dort ließ er eine große Orgel, seinerzeit die drittgrößte in Deutschland, bauen, die 1596 mit einem „Organistenkongress“ unter Teilnahme von 53 der bedeutendsten Organisten Deutschlands eingeweiht wurde – neben Michael Praetorius waren u.a. Hieronymus Praetorius aus Hamburg, Johann Steffens aus Lüneburg und Hans Leo Haßler aus Augsburg gekommen. Eine perfekte Gelegenheit, Kontakte zu Kollegen zu knüpfen. 1604 wurde er zum herzoglichen Kapellmeister ernannt, übte aber weiterhin auch das Organistenamt aus. 1605 erschien unter dem Titel Musae Sioniae oder Geistliche Concert Gesänge, Erster Theil, der erste Band seiner zahlreichen geistlichen Vokalkompositionen im Druck. Unter der Förderung des kunstsinnigen Herzogs erwarb sich Praetorius in den nächsten Jahren den Ruf eines der führenden Komponisten im protestantischen Teil Deutschlands. In kurzer Folge kamen weitere Kompositionen im Druck heraus.

1613 verstarb unerwartet Herzog Heinrich Julius; für Praetorius bedeutete das das Ende des relativ ruhigen Lebens in der Provinz. Vom kurfürstlichen Hofe in Dresden kam die Anfrage, ob man ihn während des Trauerjahres, in dem sich musikalisch am Wolfenbütteler Hof nichts abspielte, „ausleihen“ könne. So trat er im Herbst 1613 sein neues Amt als „Kapellmeister von Hause aus“ in Dresden an. Nach Ablauf eines Jahres wollte er wieder zurück und schickte dem neuen Herzog, Friedrich Ulrich, Vorschläge zur Reorganisation der Wolfenbütteler Kapelle. Diese blieben unberücksichtigt, was auch darin begründet sein könnte, dass Friedrich Ulrich von seinem Vater nicht nur das Herzogtum, sondern auch hohe Schulden geerbt hatte, hingegen nicht die Musikbegeisterung, und der Musik daher nicht oberste Priorität beimaß. So blieb Praetorius bis zum Frühjahr 1616 in Dresden (war allerdings wohl noch länger dort angestellt, denn er erhielt bis 1618 finanzielle Zuwendungen).

Die Tätigkeit am dortigen kurfürstlichen Hofe brachte erhebliche künstlerische Aufgaben und Herausforderungen mit sich, aber durch die Berührung mit neuen Moden und Strömungen und den Kontakt mit international erfahrenen Musikern auch viele Inspirationen.

Ab 1616 war Praetorius als geschätzter musikalischer Berater und Organisator viel unterwegs, teilweise zusammen mit berühmten Kollegen (etwa die Einrichtung der „Concertmusik“ am Magdeburger Dom zusammen mit Samuel Scheidt und Heinrich Schütz). Als er 1620, überarbeitet und krank, nach Wolfenbüttel zurückkehrte, war die Kapelle stark heruntergekommen, und seine Anstellung, die in gewissem Umfang wohl weiterbestanden hatte, wurde nicht mehr verlängert. Am 15. Februar 1621 starb Michael Praetorius in Wolfenbüttel, gerade einmal 50-jährig. Den größten Teil seines nicht unbeträchtlichen Vermögens gab er in eine mildtätige Stiftung für Arme.

Sein umfangreiches, erhaltenes Werk besteht überwiegend aus geistlicher Vokalmusik, von schlichten Choralsätzen bis hin zu prachtvollen, mehrchörigen Konzertkompositionen. Diesen geistlichen Werken sollte eigentlich ein weltliches Œuvre vergleichbaren Umfanges gegenübergestellt werden, leider wurde davon nur ein Band mit französischen Tanzsätzen gedruckt. (Angeblich sollen die anderen Ausgaben fertiggestellt und auch schon am Wolfenbütteler Hof in Benutzung gewesen sein, aber noch nicht im Druck erschienen. Sie sind verschollen.)

Daneben verfasste Praetorius ein überaus wichtiges musiktheoretischen Werk, das dreibändige Syntagma musicum (Musikalische Ordnung), eine unschätzbare Quelle zur Musik der ausgehenden Renaissance und des beginnenden Barock, bestehend aus einem Band zur Musikgeschichte (1615), einem zur Instrumentenkunde (1619) und einem zur Aufführungspraxis (1619). Zu einem geplanten und bereits konzipierten vierten Band kam Praetorius nicht mehr. Der zweite Band, De Organographia (Beschreibung der Instrumente) enthält – neben ausführlichen Erörterungen alter und neuer Orgeln – eingehende Beschreibungen aller (na gut – der meisten) damals in Deutschland bekannten Instrumente; in einem Anhang werden diese sehr genau abgebildet (sowie einige exotische Instrumente, bei denen manchmal der Eindruck nicht zu vermeiden ist, die Zeichnung sei nach dem Hörensagen entstanden, und einiger biblischer Instrumente, die Praetorius aus der Musica getutscht des Sebastian Virdung übernommen hat). Diese Darstellung des bekannten Instrumentariums geht an Umfang und Genauigkeit weit über diejenigen von Virdung und Agricola hinaus – nicht zuletzt auch bedingt durch den Fortschritt der Drucktechnik in den mehr als 100 Jahren zwischen Virdungs Musica getutscht (1511) und Praetorius‘ Organographia (1619). Sie ist häufig die einzige Information über das Aussehen von Instrumenten, die wir ansonsten nur, wenn überhaupt, aus schriftlichen Erwähnungen kennen, und es war in den letzten Jahrzehnten oft möglich, allein auf dieser Grundlage diese Instrumente zu rekonstruieren.

Balthasar Resinarius

Balthasar Resinarius, eigentlich Balthasar Harzer, wurde um 1483 in Tetschen in Böhmen, (heute Děčín, Tschechien) geboren. Seine Musikalität muss früh erkannt worden sein – er erhielt seine Ausbildung als Sängerknabe in der Hofkapelle von Kaiser Maximilian I. sowie als Schüler von Heinrich Isaac (vermutlich gleichzeitig). Im Jahr 1515 ist er im Matrikel der Universität Leipzig als Baldassar Harczer zu finden. Ab 1523 war er katholischer Pfarrer in Tetschen. Hier geriet er in einen heftigen Streit mit einem luthe­rischen Prediger, im Verlaufe dessen er beim böhmischen König um Hilfe ansuchte, während der Kon­tra­hent sich hilfesuchend an Martin Luther wandte. Es ist nicht bekannt, ob die in diesem Streit geäußer­ten theologischen Gedanken ihn so beeindruckt haben oder ob es ganz andere Gründe gibt – jedenfalls konvertierte er irgendwann danach und wirkte von 1534 bis zu seinem Tod in Böhmisch Leipa (heute Česká Lípa, Tschechien) unter seinem latinisierten Namen Resinarius als protestantischer Pfarrer und Bischof. Er starb 1544.

Ludwig Senfl

Ludwig Senfl wurde 1486 oder etwas später in Zürich oder Basel ge­boren. Bereits mit 10 oder 11 Jahren kam er an die Hofkapelle König (spä­ter Kaiser) Maximilians I., wo Heinrich Isaac sein Lehrer war. 1507 nahm er mit der Hofkapelle am Reichstag in Konstanz teil und blieb anschließend mit Isaac dort, um ihm bei der Komposition des Choralis Constantinus zu helfen. In den folgenden Jahren, als Isaac immer länger durch Abwesenheit glänzte, übernahm Senfl, formell nur Altist, faktisch auch seine Aufgabe als Hof­komponist. Nachdem Maximilian 1519 ge­stor­ben war, löste sein Nachfolger Karl V. die Hofkapelle auf, und Senfl saß mit vielen seiner Kollegen auf der Straße.

1523 wurde er vom bayerischen Herzog Wilhelm IV. in München als Hof­kapellmeister angestellt und brach­te die Kapelle, einen ziemlich zusammengewürfelten Musi­kan­ten­hau­fen, so auf Vordermann, dass sich 33 Jahre später der große Orlando di Lasso von ihrem Renommee nach München locken ließ. Senfl blieb Leiter der Hofkapelle bis zu seinem Tod 1543.

Obwohl Senfl freundschaftlich mit Luther und protestantischen Fürsten korrespondierte (und von die­sen auch Kompositionsaufträge annahm), ist nicht klar, wie er zur Reformation stand. Wenn er ihr gro­ße Sympathien entgegenbrachte, verbarg er dies jedenfalls – ansonsten hätte er wohl im ka­tho­li­schen Bayern einen schweren Stand gehabt.

Johannes Schultz

Über Johannes Schultz ist sehr wenig bekannt. Er wurde im Frühjahr 1582 in Lüneburg geboren, war ab 1605 in Dannenberg an der Elbe am dortigen Fürstenhof als Organist tätig und starb dort verarmt am 16. Februar 1653. Sein kompositorisches Können hätte eine ausführlichere Biographie verdient.

Johannes Sommer

Johann Sommer wurde um 1570 vermutlich in Ostfriesland geboren. Seine musikalische Ausbildung erhielt er bei dem Organisten Cornelius Conradi in Emden. Ab 1591 war er am Hof von Herzog Johann Adolf in Gottorf (bei Schleswig) tätig. 1601 wechselte er nach Lüneburg, wo er die Ratsmusik leitete und „vor einen Synckenbleser zu dienen“ hatte. 1609 kehrte er nach Gottorf zurück und wurde dort Hofkapellmeister. 1619 schließlich ging er nach Bremen als Ratsmusikmeister. 1627 ist er dort gestorben.

Thomas Stoltzer

Thomas Stoltzer wurde um 1470/75 in Schweidnitz in Schlesien (heute Swidnica in Polen) geboren. Über seine Jugend ist nichts bekannt. Möglicherweise war er Schüler von Heinrich Finck. Er schlug eine geist­liche Laufbahn ein, wirkte ab 1519 als vicarius discontinuus (Kleriker ohne Anwesenheitspflicht) mit Ver­ant­wortung für die Kirchenmusik in Breslau (heute Wroclaw), ab 1522 als Priester in Schweidnitz. Im selben Jahr berief ihn König Ludwig II. von Ungarn und Böhmen auf Bitten seiner musikliebenden Frau Maria, der Schwester Karls V., als Hofkapellmeister an den Hof in Ofen (heute Budapest). Hier baute Stoltzer eine große Kapelle auf. Königin Maria veranlasste Stoltzer u.a. zur Vertonung von 4 Psalmen in Luthers Übersetzung, interessanterweise einige Zeit, bevor Luthers Übersetzung des Alten Testaments fertig war – Maria muß also mit Luther in so engem Kontakt gestanden haben, daß er ihr die Über­set­zun­gen schon vorab geschickt hat.

In Ofen machte Stoltzer die Bekanntschaft von Herzog Albrecht von Preußen. Dieser wollte ihn gern in seinen Dienst nehmen; Stoltzer zögerte anfangs, sich an einem lutherischen Hof anstellen zu lassen, auch wenn er der Reformation eigentlich nicht abgeneigt war. Letztlich entschied er sich aber dafür und schickte einen Brief zusammen mit einer Psalmvertonung an Albrecht. Allerdings kam es nie zu einer Anstellung, stattdessen legt ein Vermerk der preußischen Kanzlei auf dem Brief „Thomas seliger schreibet“ die Vermutung nahe, daß Thomas Stoltzer bald nach der Absendung des Briefes zu Tode gekommen ist. Es gibt mehrere unterschiedlich plausible Erklärungen über sein Schicksal: Er sei bei der Flucht des Hofes vor den Türken von Ofen nach Prag 1526 bei Znaim in Mähren (heute Znojmo, Tschechien) in der Thaya ertrunken; oder er sei bei der vernichtenden Niederlage Ludwigs gegen die Türken bei Mohacs am 29. August 1526 an der Seite seines Königs gefallen. Jedenfalls ist davon auszugehen, daß Thomas Stoltzer im Jahr 1526 gestorben ist.

Thomas Weelkes

Thomas Weelkes wurde am 25. Oktober 1576 im Dorf Elsted bei Chichester, West Sussex, getauft; sei­ne Geburt dürfte wohl im selben Jahr stattgefunden haben. Über seine Jugend ist nichts bekannt. 1597 erschien sein erster Band mit Madrigalen. 1598 nahm eine Organistenstelle am Win­chester College an. Schlechte Bezahlung und mangelnde Karrieremöglichkeiten führten dazu, daß er 1601 oder 1602 das College verließ. In der gleichen Zeit studierte er Musik in Oxford und machte 1602 einen Abschluß als Bachelor of Music. Anschließend bekam er eine Stelle als Organist und Chorleiter an der Kathedrale von Chichester. Diese behielt er, mit mindestens einer kurzen Unterbrechung, bis an sein Lebensende.

Weelkes litt mehr oder weniger sein Leben lang darunter, in der Provinz tätig zu sein und nicht in einer Position, die seinem zweifellos vorhandenen Talent entsprach (z.B. am Königshof oder an einer der richtig großen Kathedralen). Aber neben seinem Pech, daß seine Förderer dazu tendierten, höheren Orts in Ungnade zu fallen und somit als Karrieresprungbretter auszufallen, sowie der Abgelegenheit seiner Dienstorte stand ihm in erheblichem Maß sein Lebenswandel im Weg – er war dem Genuß geistiger Getränke allzusehr zugetan, erschien gelegentlich offenkundig betrunken zum Gottesdienst und flog deswegen auch vorübergehend aus seinem Dienstverhältnis in Chichester hinaus. Auf einer Reise nach London starb Thomas Weelkes am 30. November 1623.