Textdichter: Horaz
Originaltext | Übersetzung | Freie Nachdichtung |
Miserarum est neque amori dare ludum neque dulci mala uino lavere aut exanimari metuentis patruae verbera linguae. |
Arm ist ein Mädchen, das weder dem Geliebten einen Streich spielen noch ihr Leid mit süßen Wein abwaschen kann, oder die Vorwürfe des Onkels fürchtet. |
Welch ein Elend, arme Kleine, wenn der Tante böse Zunge dir unschuldiger Poussaden, ja sogar des Kaffeekränzchens süße Freudenwelt verkümmert! |
Tibi qualum Cythereae puer ales, tibi telas operosaeque Minervae studium aufert, Neobule, Liparaei nitor Hebri, |
Den Wollkorb, Neobule, raubt dir der geflügelte Knabe der Venus, das Webschiff und deine Begeisterung für die geschäftige Minerva der Glanz des Liparäers Hebrus, |
Ach, ich sah dich wohl, Helenchen, jüngst am Fenster träumend sitzen, umgefallen lag der Nähkorb und der Wollknäul ohne Regung – plagt dich der bewußte Leutnant? |
simul unctos Tiberinis umeros lavit in undis, eques ipso melior Bellerophonte, neque pugno neque segni pede victus; |
wenn er in den Fluten des Tiber seine gesalbten Schultern wäscht; als Reiter besser als Bellerophon selbst, und weder mit der Faust noch mit einem trägen Fuß bezwungen; |
Hast ihn wohl einmal vom Dampfer in dem Flusse schwimmen sehen… Durch den Stadtpark galoppieren… Im Lawn Tennis triumphieren… Seine Kompagnie formieren… |
catus idem per apertum fugientis agitato grege cervos iaculari et celer arto latitantem fruticeto excipere aprum. |
ebenfalls jagt er geschickt Hirsche über das Feld, nachdem die Herde aufgescheucht wurde, und nimmt schnell den im engen Gebüsch versteckten Eber wahr. |
Oder gar auf Onkels Landgut…: wenn die Kavaliere kamen und vor allen er das meiste Edelwild – und mit ihm (nicht wahr?) stets auch dich zur Strecke brachte? |
Übersetzer unbekannt | Christian Morgenstern, Horatius travestitus (1896) |