Lodovico Balbi
Lodovico Balbi wurde um 1545 in Venedig geboren. Über seine Familie ist wenig bekannt, doch schon früh trat er in den Minoritenkonvent von Santa Maria Gloriosa dei Frari ein, eines der bedeutendsten Klöster Venedigs. Dort begann er seine musikalische Ausbildung und zeigte so großes Talent, dass ihm besondere Freiheiten und Förderungen zuteil wurden. Vermutlich studierte er um 1565 bei Costanzo Porta in Padua, Ravenna oder Loreto
Zwischen 1570 und 1578 war Balbi als Sänger an San Marco in Venedig tätig. 1578 wurde er zum maestro di cappella an der Kirche des Klosters, an dem er seine Ausbildung begonnen hatte, ernannt. In dieser Funktion leitete er den Chor, organisierte musikalische Veranstaltungen und pflegte einen regen Austausch mit anderen Musikern. Zeitgenössische Quellen berichten von musikalischen „Akademien“ in Balbis Haus und einer umfangreichen Sammlung von Musikinstrumenten, die er besaß.
1580 bewarb sich Balbi – unterstützt durch ein Empfehlungsschreiben seines Lehrers Porta – um die Stelle des Kapellmeisters an der Kathedrale von Padua. Hier kam er nicht zum Zuge, wurde aber 1585 nach einem weiteren Auswahlverfahren zum maestro der Cappella Antoniana an der Basilika Sant’Antonio in Padua ernannt. Seine Zeit in Padua war allerdings von Konflikten mit den Chormitgliedern geprägt, die zu Disziplinarmaßnahmen führten. 1588 bat er um die Entlassung, da er eine Gehaltserhöhung wünschte, aber keine erhielt, blieb aber bis Ende 1591 im Amt. Danach kehrte er nach Venedig zurück und übernahm erneut Aufgaben an der Kirche der Frari, wo er vermutlich bis zu seinem Tod 1604 blieb.
Adriano Banchieri
Adriano Banchieri wurde am 3. September 1568 in Bologna geboren. Sein eigentlicher Vorname lautete Tommaso. 1587 trat er in den Benediktinerorden ein und begann zwei Jahre später das Noviziat, wobei er den Namen Adriano annahm. Im Kloster erhielt er Kompositions- und Orgelunterricht von Gioseffo Guami, einem Schüler Willaerts.
Ab 1592 war er in verschiedenen Benediktinerklöstern Norditaliens als Organist tätig, auch einige Zeit in Venedig. Daneben komponierte er zahlreiche geistliche und weltliche Werke. Besonderes Augenmerk verdient sein Beitrag zur Entwicklung der Madrigalkomödie, einer im allgemeinen nicht-szenischen Abfolge von Madrigalen, mittels derer eine lustige Geschichte erzählt wird.
Daneben war er als Musiktheoretiker und Verfasser von Lehrbüchern des Orgelspiels tätig. Er erklärte die Grundlagen des neuen Stils, der Seconda Pratica, er lieferte theoretische Begründungen und Anleitungen für das Generalbass-Spiel auf der Orgel, er brachte die Musik einen Schritt voran auf dem Weg hin zum gleichmäßigen Metrum, weg von der text-abhängigen Rhythmik der Renaissance, indem er sich für die durchgängige Verwendung von Taktstrichen einsetzte. Zudem bemühte er sich, spiel- und notationstechnische Probleme möglichst einfach, „amateur-tauglich“ zu erklären.
In fortgeschrittenem Alter zog er sich ins Kloster San Bernardo in Bologna zurück. Dort ist er 1634 an einem Schlaganfall gestorben.
Giovanni Bassano
Giovanni Bassano wurde 1558 (nach anderen Angaben 1551/1552 oder um 1561) geboren, vermutlich in Venedig. Da der Name Bassano in Venedig und anderswo öfter auftaucht, hier eine möglicherweise zutreffende Übersicht der Familie:
Giovannis Vater hieß eigentlich Santo Griti, seine Mutter Orsetta Bassano. Deren Vater Jeronimo Bassano war als Pifferaro (Blasmusiker) eine Zeitlang am Hof des Dogen von Venedig angestellt, daneben hatte er wohl einen guten Ruf als Instrumentenbauer; Santo übernahm das Geschäft und auch gleich den Namen. Er soll es übrigens gewesen sein, der den Bassanello, das rätselhafte, seltsam „barock“ geformte, gerade Rohrblattinstrument erfunden hat (Praetorius weist die Erfindung Giovanni zu, aber da dürfte er sich geirrt haben). Orsetta hatte 6 Brüder (das waren also Giovannis Onkel), die alle nach England auswanderten und zur Hofkapelle König Heinrichs VIII. gehörten.
Wie man aus der Unklarheit hinsichtlich seines Geburtsjahres ableiten kann, liegt Giovannis Jugend im Dunkeln. Das erste bekannte Datum ist, dass er ab 1576 Instrumentalist (vermutlich Zinkenist) an San Marco in Venedig war. Binnen kurzer Zeit galt er als bester Zinkenist von ganz Venedig.
1585 erschien sein erstes Werk Ricercate, passaggi et cadentie, eine Beispielsammlung zur Diminutionstechnik. Im selben Jahr wurde er neben seinem Wirken als Instrumentalist an der Kapelle von San Marco Lehrer an dem zum Dom gehörenden Seminar für Instrumentalisten. 1601 stieg er auf zum Leiter der Instrumentalmusik (Capo di istromenti) und des Seminars und behielt diese Stellung für den Rest seines Lebens.
Als führender und leitender Instrumentalist hat er sicherlich zur Entwicklung insbesondere von Giovanni Gabrielis Musik beigetragen und ihn inspiriert; ohne einen Virtuosen wie Bassano hätte die Venezianische Mehrchörigkeit zu Gabrielis Zeit nicht diesen Höhepunkt erlebt.
Neben den Tätigkeiten an San Marco leitete Bassano auch noch diverse andere Pfeifergruppen, sei es an Kirchen oder für Auftritte bei Festen etc.
Wenn er gerade mal Zeit hatte, komponierte er auch: Motetten im mehrchörigen venezianischen Stil; Bearbeitungen von Motetten und Madrigalen, mit Diminutionen versehen; Canzonetten (die so populär waren, dass im fernen England Thomas Morley sie mit englischen Textübersetzungen herausbrachte); Instrumentalmusik. Es wird darauf hingewiesen, dass Bassanos Motetten stilistisch sehr eng mit den frühen Motetten von Heinrich Schütz verwandt seien; mit Sicherheit kannte Schütz Bassanos Spiel, mit großer Wahrscheinlichkeit kannten sie sich; vielleicht haben sie sich gelegentlich beim Wein über stilistische Fragen unterhalten.
Giovanni Bassano starb im Sommer 1617.
Francesco Bendusi
Das Geburtsdatum von Francesco Bendusi ist nicht überliefert. Nach einigen Quellen stammte er vermutlich aus Siena, war aber vor allem in Venedig aktiv, wo er auch um das Jahr 1553 verstarb. Die Tatsache, dass seine wichtigste Sammlung im selben Jahr dort erschien, legt nahe, dass er bis zu seinem Tod in Venedig lebte und wirkte.
Lorenzo Benvenuti
Unser Wissen über Lorenzo Benvenuti beschränkt sich auf die Tatsache, dass er ein nicht ganz unfähiger Komponist war und über den Tod von Adrian Willaert ein Madrigal komponiert hat.
Maddalena Casulana
Mad(d)alena Casulana wurde um 1544 geboren , vielleicht auch 10-15 Jahre früher, vermutlich (der Name legt’s nahe) in Casole d’Elsa bei Siena, vielleicht aber auch in Vicenza – man weiß so wenig. Unsere Kenntnisse über sie haben wir großenteils aus den Widmungen und Vorreden zu ihren Madrigalbüchern.
Ihre musikalische Ausbildung bekam sie – das ist jetzt tatsächlich gesichert – in Florenz bei Nicola Vicentino, einem bedeutenden Musiktheoretiker und Entwickler mikrotonaler Cembali. Ihre ersten gedruckten Kompositionen, vier Madrigale, erschienen 1566 in einer Anthologie. Zwei Jahre später, 1568, schlug sie dann ein neues Kapitel in der europäischen Musikgeschichte auf und publizierte die erste von einer Frau erschaffene Madrigalsammlung. Sie widmete sie ihrer Gönnerin Isabella de’ Medici in Florenz. Ein selbstbewusstes Statement in dieser Widmung lautet:
„…nicht nur, um Eurer Exzellenz meine Verehrung zu bezeugen, sondern auch, um der Welt (soweit sie mir in diesem Beruf der Musik zuteil wird) den törichten Irrtum der Männer zu zeigen, die sich für so große Meister hoher intellektueller Gaben halten, dass [diese Gaben], wie es ihnen scheint, bei Frauen nicht gleichermaßen verbreitet sein können“.
Im selben Jahr wurde ein Werk von Maddalena, Nil mage iucundum (leider verschollen), in München am Hof von Herzog Albrecht V. unter Leitung von keinem Geringeren als Orlando di Lasso aufgeführt. Ich glaube, das spricht für eine gewisse Wertschätzung ihrer Kompositionen in höchsten Kreisen.
Ebenfalls 1568 übersiedelte sie nach Venedig, wo sie sicherlich vorher schon gelegentlich war, weil hier ihr Verleger Gardano residierte, von Bedeutung wohl ein „Peters“ oder „Bärenreiter“ des 16. Jahrhunderts. Einer ihrer Freunde und Schüler (obwohl er älter war) war Antonio Molino., der ihr sein erstes (?) Madrigalbuch widmete und auch mindestens ein Madrigal („Signora Maddalena poi che sete“) direkt über sie geschrieben hat.
Abgesehen von ihrer kompositorischen und lehrenden Tätigkeit war Maddalena eine berühmte Virtuosin auf der Laute; auch hier sehr selbstbewusst auftretend. Im Jahr 1582 beging sie die bis dato unerhörte Tat, auf einem Bankett ihren eigenen Gesang auf der Laute zu begleiten. Frauen taten sowas nicht.
Maddalena hat weitere Madrigalbücher in den Jahren 1570, 1583 und 1586 veröffentlicht, alle in Venedig. In den 1580er Jahren begann sie, einen zusätzlichen Namen, Mezari oder Mezarti, zu tragen. Es ist davon auszugehen, dass sie geheiratet hat; allerdings ist über den Ehemann und die Ehe nichts bekannt. 1591 soll sie zwei Bände mit „Madrigali spirituali“ herausgebracht haben; diese sind allerdings verschollen. Ob Maddalena das Erscheinen der Bände noch erlebt hat, ist nicht gewiss – über ihren Tod ist nichts bekannt; sie dürfte um oder vielleicht sogar vor 1590 gestorben sein.
Baldassare Donato
Über die frühen Lebensdaten von Baldassare Donato (auch Donati sowie auch Baldissare oder Baldissera) ist – wir kennen das ja schon – nichts bekannt. Vermutlich wurde er zwischen 1525 und 1530 geboren. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1550, als er als Sänger an der Capella Marciana, dem Chor von San Marco unter Leitung des maestro di capella Adrian Willaert angestellt war. Seit 1562 war er Gesangslehrer der Chorknaben. Im selben Jahr verstarb Willaert, seine Nachfolge trat Cipriano de Rore an.
1565 braute sich Unheil zusammen. Cipriano de Rore hatte Venedig nach kurzem Engagement im Vorjahr wieder verlassen, und mit dem Nachfolger Gioseffo Zarlino, einem sehr konservativen Musiker, kam Donato mit seinen moderneren Vorstellungen überhaupt nicht zurecht. Er wurde wieder zum einfachen Sänger degradiert und zankte sich die nächsten Jahre mit dem Chef herum. Höhepunkt war, wie man liest, ein öffentlicher Streit zwischen den beiden – ob nur verbal oder auch brachial, ist mir nicht bekannt – am Markusfest (25.4.) des Jahres 1569.
Immerhin hielt er es noch bis 1577 an San Marco unter Zarlino aus; dann nahm er eine Stelle an der Scuola Grande di San Rocco an, einer damals ebenfalls sehr feinen Adresse für Musiker, an der ihm nebenbei bemerkt gelegentlich der Maler Tintoretto über den Weg gelaufen sein dürfte, der zu jener Zeit ebenfalls dort tätig war.. Allerdings hatte er dort bald Streit mit der Leitung (ich werde das Gefühl nicht los, dass die Misshelligkeiten an San Marco nicht komplett Zarlino anzulasten waren) und verließ die Scuola bereit 1580 wieder.
Über seine nächsten Jahre wissen wir nichts. 1588 aber geschah Überraschendes – Donato wurde wieder an San Marco angestellt, und zwar als stellvertretender Kapellmeister unter Zarlino. Ob die beiden sich zwischendurch ausgesöhnt hatten oder seitens der Leitung von San Marco der Wink an Zarlino ergangen war, man wünsche das Engagement Donatos, ist, wie so vieles, nicht bekannt.
Zwei Jahre später, 1590, starb Zarlino; Donato hatte es endlich geschafft und wurde Kapellmeister an San Marco. Diesen Posten behielt er bis zu seinem Tod im Juni 1603.
Andrea Gabrieli
Andrea Gabrieli wurde 1532 oder 1533 in Venedig geboren. Über seine Familie und Jugend ist wenig bekannt. Vermutlich war er Schüler von Adrian Willaert an San Marco. In den frühen 1550er Jahren könnte er sich in Verona aufgehalten haben. Ab 1555 war er Organist in seiner Heimatgemeinde Cannareggio im Norden Venedigs. 1557 bewarb er sich um die nach dem Tod von Girolamo Parabosco freigewordene Stelle des Zweiten Organisten an San Marco, unterlag aber gegen Claudio Merulo.
Über die nächsten Jahre ist nichts Genaues bekannt. 1562 war Gabrieli in Deutschland und reiste zusammen mit Orlando di Lasso im Gefolge des bayerischen Herzogs Albrechts V. zur Krönung von Kaiser Maximilian II. nach Frankfurt am Main. Lasso und Gabrieli verband fortan eine enge Freundschaft, und jeder konnte dem anderen einiges beibringen.
1566 wurde Merulo zum Ersten Organisten befördert, die Stelle des Zweiten Organisten war erneut vakant – und dieses Mal bekam Gabrieli sie. Er blieb zeitlebens an San Marco, lehnte 1574 ein Angebot des bayerischen Hofes ab, nach München zu kommen, und wurde nach dem Weggang Merulos 1575 zum Ersten Organisten befördert.
Unter seiner Leitung entwickelte sich die von Willaert kommende Mehrchörigkeit weiter. Warum soll die Zusammensetzung der Chöre von vorn bis hinten gleich sein? Klingt doch vielleicht ganz schön, wenn die Hälfte vom einen Chor sich irgendwann im Stück mit der Hälfte vom anderen zusammentut und die beiden dann mit den beiden anderen Hälften in „Wettstreit“ treten. Und warum soll man mit zwei Chören zufrieden sein, wenn es doch noch mehr Emporen gibt – hier ein paar Zinken, da ein paar Posaunen, und schon gibt das einen Klang, dass die Leute aus den Latschen kippen!
Von Gabrielis zahlreichen Kompositionen aus allen in Venedig gängigen Genres (Messen, Motetten, Madrigale, Canzonette, Villanelle, diverse Instrumentalmusik) erschien nur ein relativ geringer Teil zu seinen Lebzeiten; der größere Teil wurde nach seinem Tod von Giovanni Gabrieli publiziert.
Unter seinen Schülern sind besonders sein Neffe Giovanni Gabrieli sowie – wichtig für die Musikgeschichte nördlich der Alpen – Hans Leo Hassler und Gregor Aichinger zu nennen.
Erst seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wissen wir das genaue Sterbedatum von Andrea Gabrieli: Er ist am 30. August 1585 in Venedig verstorben.
Giovanni Gabrieli
Giovanni Gabrieli wurde um 1555 in Venedig geboren. Über seine Kindheit und Jugend wissen wir kaum etwas. Es ist davon auszugehen, dass er seine erste Ausbildung von seinem Onkel Andrea Gabrieli bekam. Um 1575 ging er nach München, vielleicht auf Vermittlung des Onkels, um seine Studien bei dessen Freund Orlando di Lasso am Hof von Herzog Albrecht V. fortzusetzen. Die Kosten dieses Studienaufenthalts wurden ganz oder teilweise von der Familie Fugger getragen, der er später einige Werke widmete.
1579 oder 1580 endete Gabrielis Studienzeit in München; für die nächsten Jahre wissen wir nichts Genaues über seinen Aufenthaltsort und seine Tätigkeit. Möglicherweise reiste er herum, um weitere Erfahrungen zu sammeln und Beziehungen aufzubauen; vielleicht hatte er auch kurze Anstellungen; es könnte auch sein, dass er nach Venedig zurückkehrte und in den folgenden Jahren nichts Berichtenswertes unternahm; auch Kombinationen dieser Optionen wären möglich. Einziges Lebenszeichen war die Veröffentlichung von zwei Madrigalen aus seiner Feder in der Sammlung De floridi virtuosi d‘ Italia il primo libro de madrigali a quinque voci in Venedig im Jahr 1583.
1584 erhielt er eine Anstellung an der Scuola Grande di San Rocco, einer reichen und einflussreichen Bruderschaft in Venedig, eines der musikalischen Zentren neben San Marco. Diese Stellung behielt er bis 1606, als er sie, wohl wegen seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes, aufgeben musste.
Ab 1584 war er daneben auch noch (fortgeschrittener) Student bei seinem Onkel, zusammen mit Hans Leo Hassler, mit dem er zeitlebens befreundet blieb und der als Erster den venezianischen Stil nach Deutschland brachte. Gleichfalls im selben Jahr wurde er, sicherlich auch unter Vermittlung des Onkels, welcher Zweiter Organist an San Marco war, Hilfsorganist dortselbst. Ob das eine offizielle Stelle war oder ob Andrea Gabrieli an einer Krankheit litt, die ihn zwang, sich vertreten zu lassen, weiß ich nicht. Ebenfalls 1584 verließ der Erste Organist, Claudio Merulo, Venedig; aber das Standard-Beförderungs-Schema, wonach der Zweite Organist zum neuen Ersten wird, wenn dieser nicht mehr da ist, kam dieses Mal nicht zur Anwendung. Andrea Gabrieli blieb Zweiter Organist, Giovanni einstweilen Hilfsorganist. Immer noch können wir nur spekulieren, dass Andrea bei Merulos Weggang bereits krank war oder man aus anderen Gründen der Meinung war, er werde das Amt nicht ausfüllen können. Im Januar 1585 wurde ein Wettbewerb abgehalten zur Neubesetzung der Stelle des Zweiten Organisten, obwohl Andrea Gabrieli sie noch innehatte. Giovanni gewann diesen Wettbewerb. Man muss sich das wohl als eine verlängerte Einarbeitungszeit vorstellen, denn es gab natürlich nur eine Planstelle eines Zweiten Organisten.
Als Andrea Gabrieli im Sommer 1585 starb, wurde Giovanni ganz offiziell zu seinem Nachfolger auf der Stelle des Zweiten Organisten. Neben seinen Dienstverpflichtungen ging er die Aufgabe an, die Werke des Onkels, um deren Veröffentlichung sich dieser großenteils nicht gekümmert hatte, herauszubringen. So veröffentlichte er zwischen 1587 und 1589 vier Ausgaben mit Werken von Andrea Gabrieli, denen er teilweise auch eigene Werke beifügte.
1591 wurde endlich die Stelle des Ersten Organisten an San Marco wiederbesetzt, nämlich mit Giovanni Gabrieli.
Kompositorisch setzte er die Entwicklung der Venezianischen Mehrchörigkeit fort, fügte „moderne“ Elemente wie den Basso continuo hinzu, legte bestimmte Instrumentierungen fest, womit er, wenn man so will, einen Beitrag zur Entwicklung des modernen Orchesters lieferte, und gab als einer der Ersten dynamische Anweisungen, z.B. in der Sonata „pian e forte“ in seiner wohl berühmtesten Ausgabe von Vokal- und Instrumentalmusik, den Sacrae Symphoniae von 1597.
Giovanni Gabrieli hatte einen hervorragenden Ruf als Lehrer. Große Komponisten gehörten zu seinen Schülern, teilweise mit Stipendien von höchster (und reichster) Stelle, etwa als einer der Ersten Gregor Aichinger mit Unterstützung der Fugger, Mogens Pedersøn und Hans Nielsen auf Kosten des Königs Christian IV. von Dänemark, wahrscheinlich Alessandro Grandi (Kostenträger unbekannt) und als Letzter und wohl Größter Heinrich Schütz, entsandt von Landgraf Moritz von Hessen. Gabrieli bezeichnete Schütz in seinem Testament als seinen liebsten Schüler und vermachte ihm einen kostbaren Ring. Während Hassler sozusagen Gabrielis Renaissancemusik nach Deutschland gebracht hatte, war es an Schütz, seine Barockmusik über die Alpen zu bringen.
Nachdem Giovanni Gabrieli bereits einige Jahre krank war, so dass zeitweise Stellvertreter an San Marco eingestellt werden mussten, verstarb er, wohl an den Komplikationen, die von Nierensteinen ausgelöst wurden, am 12. August 1612 in Venedig.
1556 wurde Merulo Organist an der Kathedrale in Brescia. Nicht schlecht, aber Besseres lockte: Er bewarb sich um die Stelle des Zweiten Organisten an San Marco in Venedig, was so ungefähr der Olymp der Musik zumindest in Norditalien war. Und Merulo war so gut, dass er sich gegen 9 Mitbewerber, darunter z.B. Andrea Gabrieli, durchsetzte; 1557 trat er die Organistenstelle an San Marco an.
Claudio Merulo
Claudio Merulo, eigentlich Claudio Merlotti, wurde am 8. April 1533 in Correggio (heute in der Region Emilia-Romagna gelegen) geboren. Er hatte einen Zwillingsbruder Quirino, der aber vermutlich früh gestorben ist, denn er taucht nach dem Taufregister in keinerlei Dokumenten mehr auf. Claudio „latinisierte“ seinen Namen später zu Merulo (lat. „merula“ bedeutet „Amsel“). Über seine Ausbildung weiß man nicht viel; ein wichtiger Lehrer war wohl ein französischer Madrigalkomponist namens Tuttovale Menon. Vielerorts wird weiterhin von einem Lehrer Girolamo Donato geschrieben, aber ein in der entsprechenden Zeit lebender Musiker dieses Namens ist nicht bekannt. Vieles spricht dafür, dass er um 1550 in Venedig bei Adrian Willaert studierte. In dieser Zeit soll er sich mit Costanzo Porta angefreundet haben.
1556 wurde Merulo Organist an der Kathedrale in Brescia. Nicht schlecht, aber Besseres lockte: Er bewarb sich um die Stelle des Zweiten Organisten an San Marco in Venedig, was so ungefähr der Olymp der Musik zumindest in Norditalien war. Und Merulo war so gut, dass er sich gegen 9 Mitbewerber, darunter z.B. Andrea Gabrieli, durchsetzte; 1557 trat er die Organistenstelle an San Marco an.
Mit dem Ersten Organisten, Annibale Padovano, und dem Kapellmeister, Adrian Willaert, war Merulo an der Weiterentwicklung der mehrchörigen Musik beteiligt. Willaert hatte gezeigt, was man mit zwei Vokalchören machen kann; jetzt setzten sich die beiden Organisten an ihre Orgeln und spielten abwechselnd. Wer weiß, ob sie sich erst einmal Chorkompositionen von Willaert vornahmen oder gleich was Instrumentales zu dem Zweck komponierten – jedenfalls zeigte sich, dass sich das Konzept auch auf Instrumentalmusik übertragen ließ, vorausgesetzt, man hatte mehr als eine Orgel und eine entsprechende Anzahl Organisten zur Hand.
1566 verließ Padovano Venedig, Merulo wurde, wie üblich, zum Ersten Organisten befördert, endlich kam Andrea Gabrieli als neue Zweiter Organist zum Zug.
Merulo arbeitete an San Marco unter 3 Kapellmeistern – nach Willaerts Tod übernahm Cipriano de Rore 1563 kurz die Leitung, ihm folgte bereits im nächsten Jahr Gioseffo Zarlino. Aber auch außerhalb der Kirche war er nicht untätig. Er trat in den Palazzi örtlicher Adeliger bei regelmäßigen „Mucken“ neben anderen Virtuosen auf, er verfasste Bühnenmusik u.a. für Stücke von Lodovico Dolce, unseren Haupt-Informanten über das Leben seines Freundes Antonio Molino, er gehörte zu offiziellen Gesandtschaften; und er betätigte sich auch einige Jahre als Verleger, nicht nur eigener Werke, sondern auch von Nachdrucken anderer Komponisten.
1584, nach fast dreißigjähriger Tätigkeit an San Marco, verließ Merulo Venedig und ging nach Parma. Dort wurde er zuerst Hofmusiker am herzoglichen Hof, drei Jahre später zusätzlich Domorganist und noch vier Jahre später Organist an einer weiteren Kirche.
Nach kurzer schwerer Krankheit verstarb Claudio Merulo am 5. Mai 1604. Er erhielt ein Staatsbegräbnis und wurde in der Kathedrale von Parma an der Seite von Cipriano de Rore beigesetzt.
Claudio Monteverdi
Claudio Monteverdi wurde 1567 in Cremona geboren (getauft am 15. Mai 1567). Sein Vater war ein Wundarzt, Apotheker und Barbier. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen, aber Claudio und seinem Bruder Giulio Cesare wurde eine gute musikalische Ausbildung beim Domkapellmeister Marc’Antonio Ingegneri ermöglicht. Claudio erwies sich als guter Schüler; 1582, mit 15 Jahren, veröffentlichte er seine erste Motettensammlung Sacrae cantiunculae (Geistliche Gesänglein), im folgenden Jahr seine erste Sammlung mit Madrigali spirituali, 1587 dann sein erstes „echtes“ Madrigalbuch.
Seine Begabung blieb nicht unbemerkt. 1590 oder 1591 stellte ihn Herzog Vincenzo I. Gonzaga als Sänger und Gambist an seiner Hofkapelle in Mantua an. In diesem Dienstverhältnis blieb er für die nächsten ungefähr 22 Jahre. 1595 begleitete er den Herzog auf seinen ersten Feldzug gegen das osmanische Reich in den Süden der Pannonischen Tiefebene (irgendwo im heutigen Ungarn).
Im folgenden Jahr starb Monteverdis Chef, Kapellmeister Giaches de Wert; sein Nachfolger wurde zu Monteverdis Ärger Benedetto Pallavicino. Dieser stammte auch aus Cremona, war möglicherweise ebenfalls Schüler von Ingegneri, aber etwa 15 Jahre älter als Monteverdi, bekannter, länger in Diensten des Herzogs – und spätestens jetzt Monteverdis Erzrivale.
Aber es gab auch Erfreuliches – 1599 heiratete Monteverdi die Sängerin Clauda Cattanea, ebenfalls aus Cremona stammend. Die beiden hatten zwei Söhne (Francesco, wurde Musiker, und Massimiliano, wurde Arzt) und eine Tochter (Leonora), die allerdings kurz nach der Geburt starb.
Die folgenden Jahre dürften nicht immer leicht gewesen sein für Monteverdi: Er war schlicht zu modern. Seine Vorliebe für solche barocken Torheiten wie Monodie, Basso continuo, Affekte war schon schlimm genug, aber dass er dafür von Fall zu Fall auch die altüberkommenen Regeln des Kontrapunktes über die Klinge springen ließ und regelwidrige Dissonanzen einbaute, wurde ihm übelgenommen. Insbesondere ein besonders konservativer Theoretiker, Giovanni Maria Artusi, ein glühender Verehrer seines Lehrmeisters Gioseffo Zarlino, gab ihm 1600 eine Breitseite in Form einer Streitschrift L’Artusi, overo Delle imperfettioni della moderna musica (Artusi oder Über die Unvollkommenheiten der modernen Musik). Er lehnte die Bevorzugung der Melodie und des Textes ab, die er abschätzig als Seconda Pratica (Zweite Praxis) bezeichnet, gegenüber der Prima Pratica (Erste Praxis), der unbedingten Unterordnung von Text und Melodie unter die Regeln des Kontrapunktes. Monteverdi nahm den Begriff 1605 im Vorwort zu seinem 5. Madrigalbuch auf. Zu einer „großen“ Antwort auf Artusi mit dem Titel Seconda Pratica, overo Perfettione della Moderna Musica (Die Seconda Pratica oder Die Vollendung der modernen Musik), deren Abfassung er immer wieder angekündigt hatte, kam es leider nicht mehr. Übrigens hatte Monteverdi, wie auch viele andere Wegbereiter des neuen Stils, keineswegs die Absicht, die Prima Pratica abzulösen – die Seconda Pratica wurde eher als Erweiterung der Möglichkeiten betrachtet, die man z.B. in weltlichen Kompositionen anwendete, während man im Geistlichen mehr oder weniger treu den alten Regeln folgte.
Monteverdi war zwar der wichtigste „Motor“ der Seconda Pratica, aber die Zeit war einfach reif dafür, und so brachten auch andere Komponisten ihre Entwicklung voran, u.a. sein Lehrer Marc’Antonio Ingegneri, weiter Cipriano de Rore, Jacopo Peri, Vincenzo Galilei (wie Artusi ein Schüler Zarlinos) und andere aus dem Kreis der Florentiner Camerata, in Deutschland Hans Leo Hassler, Michael Praetorius und Melchior Franck.
Zurück nach Mantua… Pallavicino war erstens als Kapellmeister gegenüber dem jüngeren und ehrgeizigen Monteverdi bevorzugt worden, zweitens stand er der Entwicklung der Seconda Pratica, sagen wir mal, abwartend gegenüber. Hinzu kamen solche Nickeligkeiten, dass zumindest Monteverdi sich gelegentlich herausnahm, die Madrigale des Kollegen zu „verbessern“ (ob Pallavicino so etwas auch machte, darüber habe ich verschiedene Angaben gefunden) – alles in allem nicht gerade ein Nährboden für ein ersprießliches Arbeitsklima.
1601 starb Pallavicino, und endlich erhielt Monteverdi die ersehnte Kapellmeister-Stelle. In den folgenden Jahren veröffentlichte er mehrere Madrigalbücher, die Meisterstücke im Stil der Seconda Pratica enthalten. Musikalische Dramen gab es schon längst, Monteverdi hatte seinen dramatischen Stil allmählich perfektioniert – die Zeit für eine Oper war gekommen. 1606 erhielt er den Auftrag, die Oper L’Orfeo zu schreiben, und im Februar und März 1607 wurde sie aufgeführt; damit war der erste Kulminationspunkt der Seconda Pratica erreicht. (Notiz am Rande: Mittlerweile hatte auch Artusi seinen Frieden mit dem neuen Stil gefunden.)
Es folgte ein Schicksalsschlag. Monteverdis Frau Claudia erkrankte schwer: Damit sein Vater, der ja in der Heilkunst tätig war, sie behandeln konnte, reiste die Familie nach Cremona. Leider waren die schwiegerväterlichen Bemühungen erfolglos, im September 1607 starb Claudia. Schon wenige Tage später fragte man aus Mantua an, wann wohl wieder mit ihm zu rechnen sei. Der nächste Opernauftrag für die Oper Arianna folgte; allerdings starb im Frühjahr 1608 die für die Titelrolle vorgesehene Sängerin an den Pocken. Zu solchen Rückschlägen kam, dass die Gehaltszahlungsmoral des Hofes erheblich nachließ. Zur Erholung begab sich Monteverdi abermals in sein Elternhaus nach Cremona. Von dort ersuchte er brieflich um Entlassung, worauf der Hof zähneknirschend einer finanziellen Einigung zustimmte, dafür aber erwartete, dass der Maestro sich pronto subito wieder ans Pult begebe. Das tat dieser auch, begann aber gleichzeitig, sich nach einer anderen Beschäftigung umzutun. Die Marien-Vesper von 1610, Papst Paul V. gewidmet, war wohl als eine Art „Bewerbungsmappe“ für eine Anstellung in kirchlichen Diensten gedacht. Die Ausgabe enthielt außer der Vesper noch eine 6-stimmige Messe über eine Motette von Nicolas Gombert, fein säuberlich nach den Regeln der Prima Pratica komponiert, wohingegen die Vesper der Seconda Pratica zuzurechnen ist. Klar, ein potentieller Arbeitgeber sollte sehen, dass Monteverdi alles konnte.
1612 starb Herzog Vincenzo. Sein Sohn Francesco, der ihm nachfolgte, hatte für Musik nicht viel übrig, zumal wenn ein guter und teurer Kapellmeister zu bezahlen war, und verschlankte die Kapelle, wovon auch Monteverdi betroffen war. Zwar machten die Pocken der Regierung des jungen Herzogs noch im selben Jahr ein Ende, aber auch dessen Nachfolger, sein Bruder Ferdinando, hatte keine nennenswert andere Sicht der Dinge. So lebte Monteverdi erst mal wieder in seinem Elternhaus in Cremona.
1613 starb der Kapellmeister von San Marco in Venedig, Giulio Cesare Martinengo, nach längerer Krankheit. Monteverdi bewarb sich um die Nachfolge, und an San Marco überlegte man nicht zweimal. Eine große Aufgabe lag vor dem neuen Kapellmeister; im Zuge der Krankheit Martinengos (und vielleicht auch aufgrund dessen mangelnden Organisationstalents?) war die Kapelle wohl recht verlottert und musste erstmal auf Vordermann gebracht werden, was Disziplin, Übung und Besetzungsstärke anging. Daneben galt es, das Repertoire zu erweitern. Monteverdi gelang es, seine Mannschaft wieder zum Glanz alter Zeiten zurückzuführen. Hier in Venedig hatte er große künstlerische Freiheit und verdiente gut. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass er, als Herzog Ferdinando Gonzaga in Mantua seine Meinung geändert und ihn doch gern wieder in seiner Kapelle gehabt hätte, dieses Ansinnen höflich abschlägig beschied, gewürzt mit dem Hinweis auf noch ausstehende Zahlungen.
Sein Ruhm war so groß, dass er neben Stellenangeboten bis hin nach Warschau auch zahlreiche Kompositionsaufträge von auswärts bekam und dafür gelegentlich auch über Monate vom Dienst freigestellt wurde.
1630 begann eine düstere Zeit, u.a. grassierte die Pest in Venedig. Das Musikleben wurde stark reduziert. In dieser Zeit und unter dem Eindruck des Elends ließ sich Monteverdi 1631 zum Diakon und 1632 zum Priester weihen (das Theologiestudium war anscheinend damals keine zwingende Voraussetzung dafür).
Aber es brachen wieder bessere Zeiten an. 1637 wurde in Venedig das erste öffentliche Opernhaus Europas eröffnet, das Teatro San Cassiano. Monteverdi komponierte einige Opern dafür, neben anderen, verschollenen auch Il Ritorno d’Ulisse in Patria (1640) und L’Incoronazione di Poppea (1643). Darüber hinaus war er immer noch an San Marco, auch kompositorisch, tätig.
Die oben erwähnte ausstehende Zahlung aus Mantua beschäftigte ihn bis kurz vor seinem Tod. In seinem letzten erhaltenen Brief vom Sommer 1643 bittet er den Dogen um Hilfe in dieser Angelegenheit.
Er erkrankte schwer, machte noch eine kurze Reise nach Cremona und verstarb nach seiner Rückkehr nach Venedig am 29. November 1643.
Annibale Padovano
Annibale Padovano wurde 1527 in Padua geboren (daher sein Name). Über seine Jugend und seine musikalische Ausbildung ist nichts bekannt, aber sie muss vorzüglich gewesen sein, denn bereits in jungen Jahren genoss er einen sehr guten Ruf als Organist. 1552 wurde er als Vertretung für den alternden Organisten Giovanni Armonio an den Markusdom berufen – übrigens ein Freund von Antonio Molino, mit dem er um 1530 eine musikalische Akademie gegründet hatte – und noch im selben Jahr zum Ersten Organisten des Doms ernannt.
Im Laufe der nächsten Jahre erkannte man an San Marco, dass der Posten des Ersten Organisten irgendwie nahelegt, dass es auch einen Zweiten Organisten geben müsse, zumal auch eine zweite Orgel vorhanden war. 1557 wurde Claudio Merulo auf diesen Posten eingestellt, und es begann eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisten. Sie kamen auf die Idee, es müsse doch eigentlich ganz schön klingen und eine tolle Raumwirkung entfalten, wenn man beide Instrumente in einem Stück abwechselnd einsetzte. Kapellmeister Adrian Willaert war beeindruckt und griff die Idee auf. Man könnte ja schließlich auch Chöre auf die diversen Emporen des Doms stellen und Raumwirkung entfalten.
So entwickelten Padovano, Merulo und Willaert die mit Recht so genannte Venezianische Mehrchörigkeit.
1566 verließ Padovano Venedig; Erzherzog Karl II. berief ihn als Organisten an seinen Hof in Graz. Schon im folgenden Jahr wurde er Leiter der Hofmusik, 1570 schließlich Hofkapellmeister. Ein Höhepunkt seiner Tätigkeit im Dienste des Erzherzogs war im Jahr 1568 seine Mitwirkung bei der musikalischen Gestaltung der prunkvollen Hochzeit von Erbprinz Wilhelm (später Herzog Wilhelm V., „der Fromme“) mit Renata von Lothringen in München. Zu diesem 18-tägigen Mega-Event unter der Gesamtleitung von Orlando di Lasso reiste Padovano mit einer 14-köpfigen Kapelle an. U.a. wurde dort eine 24-stimmige Messe aus seiner Feder aufgeführt.
Padovano blieb im Dienst Karls II. Am 15. März 1575 starb er in Graz.
Girolamo Parabosco
Girolamo Parabosco wurde um 1524 in Piacenza geboren. Sein Vater war Organist. Vermutlich hat dieser seine grundlegend musikalische Ausbildung übernommen. Gesichert ist, dass Parabosco ab 1541 Schüler von Adrian Willaert an San Marco in Venedig war. 1546, wohl nach Abschluss seiner Ausbildung, begann er eine Reise durch Norditalien.
Nach Abschluss dieser Reise kehrte er zurück nach Venedig und wurde 1551 als Erster Organist an San Marco angestellt. Diese Stelle hatte er inne bis zu seinem Lebensende. Er verfasste Madrigale und einige Instrumentalstücke. Neben dieser kompositorischen Tätigkeit schrieb er Gedichte und Komödien.
Girolamo Parabosco starb am 21. April 1557 in Venedig.
Cipriano de Rore
Cipriano de Rore wurde 1515 oder 1516 in Ronse geboren, einer Stadt in Westflandern (französich: Renaix, heute im wallonischen Teil Belgiens, etwa 50 km nordöstlich von Lille). Seine Familie war wohlhabend. Über seine Ausbildung und Jugend ist wieder mal nichts bekannt. Aus Anspielungen in einem Madrigal für Margarethe von Parma (uneheliche Tochter von Kaiser Karl V. und ab 1559 Statthalterin in den Niederlanden) aus dem Jahr 1561 kann man schließen, dass er einmal in ihren Diensten gestanden hat. Möglicherweise gehörte er, als sie sich 1533 nach Italien begab, zu ihrem Gefolge. Belege gibt es nicht; Tatsache ist aber, dass de Rore irgendwann in Italien gelandet ist. Die Forschung geht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass er in Venedig bei Willaert studiert hat, aber auch hier gibt es keine Belege. In den Jahren 1542 bis 1545 soll er sich in Brescia aufgehalten haben und gelegentlich nach Venedig gereist sein, wo 1542 sein erstes Madrigalbuch erschien; dieses war ein großer Erfolg und wurde mehrmals nachgedruckt. Motettenausgaben folgten in den nächsten Jahren, auch diese waren so populär, dass es Nachdrucke gab. In dieser Zeit verfasste de Rore auch Huldigungs-Kompositionen an geistliche und weltliche Würdenträger, um sich um eine Anstellung zu bewerben.
Im Jahr 1546 stellte ihn Herzog Ercole II. d’Este in Ferrara als Kapellmeister an seiner Hofkapelle an. Es folgten sehr produktive 12 Jahre – mehr als die Hälfte von de Rores Gesamtwerk entstand in dieser Zeit. Neben vielen anderen Machthabern und Würdenträgern (bis hinauf zu Kaiser Karl V.) bedachte er auch den bayerischen Herzog Albrecht V., u.a. ließ er für diesen eine Prachthandschrift mit 26 Motetten anfertigen – der Herzog hatte ein besonderes Faible für de Rores Musik.
1558 nahm er Urlaub und reiste nach Flandern, wo nach dem Tod seines Bruders dessen Frau Hilfe bei der Nachlass-Regelung benötigte. Auf dem Weg schaute er schnell in München bei Herzog Albrecht vorbei, beaufsichtigte den Fortgang der Arbeiten an der Prachthandschrift und saß Modell für das Komponistenportrait, das ebenfalls dort hinein sollte. Ende des Jahres war er zurück in Ferrara.
Aber schon im nächsten Sommer erhielt er die Nachricht, dass im Zuge von Kriegswirren seine Heimatstadt Ronse niedergebrannt worden war und seine Eltern alles verloren hatten. Also machte er sich umgehend wieder auf nach Flandern. Während seiner Abwesenheit starb sein Dienstherr, Herzog Ercole d’Este; sein Nachfolger Alfonso d’Este bevorzugte als Kapellmeister einen alteingesessenen Ferrareser Musiker gegenüber dem Ausländer und verlängerte de Rores Anstellung nicht. Dieser saß jetzt in den Trümmern seiner Heimatstadt und war überraschend arbeitslos.
Er hatte Glück – Margarethe von Parma, gerade zur Statthalterin des spanischen Königs Philipp II. in den Niederlanden ernannt, berief ihn an ihren Hof nach Brüssel; ob er sich selbst an sie gewandt hatte oder sie von anderer Seite über seine Situation informiert worden war, weiß ich nicht. Margarethe behielt ihn aber nicht lange am Hofe, sondern schickte ihn 1560 weiter zu ihrem Mann, Herzog Ottavio Farnese, nach Parma. Dort hatte er wieder eine Anstellung, war aber nicht besonders glücklich. Jemandem, der die kulturellen Brennpunkte Venedig und Ferrara kannte und schätzte, musste Parma wie ein Provinznest vorkommen.
Als 1562 in Venedig Adrian Willaert verstorben war, musste de Rore nicht lange überlegen und machte sich auf den Weg, um die Nachfolge anzutreten. Es ist davon auszugehen, dass er nicht der einzige Bewerber war – abgesehen z.B. von Annibale Padovano und Andrea Gabrieli, großen Musikern, die bereits im Dienst von San Marco standen, dürfte die Stelle auch von anderswo etliche Interessenten angelockt haben –, aber es sind meines Wissens keine Belege für ein Auswahlverfahren erhalten. Tatsache ist, de Rore bekam die Stelle und nahm 1563 die Arbeit an San Marco auf.
Die Ernüchterung folgte bald. Das Salär war schmaler, als der neue Kapellmeister es sich erhofft hatte, und die Kapelle war seiner Meinung nach desorganisiert. Schon im folgenden Jahr kündigte er wieder. Er hatte während der Zeit in Venedig Kontakt zum Hof in Parma gehalten, und dort nahm man ihn mit Freuden wieder auf und gab ihm seine alte Stellung wieder.
Lange hatte er sie aber nicht inne – 1565 starb Cipriano de Rore 49-jährig in Parma.
Adrian Willart
Adrian Willaert wurde um 1490 vermutlich in oder bei der flandrischen Stadt Roeselare (heute Belgien, ungefähr auf halbem Weg zwischen Brügge und Lille) geboren. Über seine Jugend ist wenig bekannt; was wir wissen, stammt aus Anekdoten, hauptsächlich von seinem Schüler Gioseffo Zarlino. Mit etwa 20 Jahren ging Willaert nach Paris, um dort die Rechte zu studieren. Dort traf er allerdings auf Jean Mouton, ein Mitglied der königlichen Kapelle, der ihm nahelegte, lieber Musik zu studieren, und ihn wohl auch selbst unterrichtete.
Ab 1511 oder 1512 finden wir Willaert wieder in Flandern, jetzt an der Universität Leuven; vermutlich hat er dort seine juristischen Studien fortgesetzt. 1515 reiste er nach Rom, traf dort auf Kardinal Ippolito I. d’Este von Ferrara und trat in seinen Dienst als Kapellmeister. Aus dieser Zeit gibt es eine nette Anekdote, die Zarlino berichtet, um das Talent Willaerts bereits in jungen Jahren zu betonen:
Bei fast jedem Marienfest pflegte die päpstliche Kapelle eine 6-stimmige Motette Verbum bonum et suave vom großen Josquin Desprez (wie sie glaubten) aufzuführen. Willaert hörte das Stück, und es kam ihm sehr bekannt vor. Nach dem Gottesdienst ging er zu den Sängern und eröffnete ihnen, nichts für ungut, aber die Motette stamme nicht von Meister Josquin, sondern von ihm, Willaert. Die Kapelle, anstatt sich zu freuen, einen so talentierten Musiker vor sich zu haben, dass man sein Werk für das von Josquin halten konnte, packte peinlich berührt die Noten weg und holte sie fortan nie wieder hervor.
Der Kardinal war u.a. auch Bischof von Eger in Ungarn, wo Willaert die Zeit von 1517–1519 verbracht. Anschließend kehrten Kardinal und Kapellmeister nach Rom zurück. Der Kardinal starb im folgenden Jahr, Willaert aber arbeitete weiter für die Familie d’Este, Herzöge von Ferrara.
1527 bekam Willaert das Amt des Kapellmeisters von San Marco angeboten; man liest, der Doge Andrea Gritti höchstselbst habe sich für ihn eingesetzt. Mit seiner Amtsübernahme begann der Aufstieg Venedigs zu einem der wichtigsten musikalischen Zentren Europas. Er baute die etwas heruntergekommene Kapelle zu neuer Größe auf, Musiker und hoffnungsvolle Nachwuchstalente aus ganz Italien strömten herbei, um dabei zu sein oder beim Meister zu studieren. Zu den berühmtesten Schülern gehören Cipriano de Rore, Gioseffo Zarlino, Andrea Gabrieli und Girolamo Parabosco, die alle später als Kapellmeister oder Organisten an San Marco tätig waren, außerdem Costanzo Porta und Gioseffo Guami.
Man kann sich ausmalen, wie – vielleicht während einer langweiligen Predigt – eines Sonntags Willaerts Gedanken schweiften, sein Blick durch den Dom wanderte und irgendwann an den beiden gegenüberliegenden Emporen mit den Orgeln hängenblieb. „Da müsste man mal Sänger hinstellen und mehrchörige Motetten (so etwas gab es prinzipiell schon) von verschiedenen Stellen aus singen lassen, das wäre sicherlich ein toller Effekt“, wird er sich gedacht haben; gleich am Montag in der nächsten Probe wurde die Kapelle auf die Emporen gescheucht. – So ungefähr stelle ich mir die „Initialzündung“ dessen vor, was wir jetzt als Venezianischen Stil kennen.
1542 nahm Willaert Urlaub, um daheim in Flandern nach dem Rechten zu sehen. In dieser Zeit gab es wieder einmal Krieg zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Franz I., und französische Truppen fielen in Flandern ein; Willaerts Heimatstadt befand sich im Bereich der Kampfhandlungen, es gab also gute Gründe, nachzusehen, wie die Dinge in der Verwandtschaft lagen. Und wenn man schon mal in der Gegend war, konnte man auch gleich bei Meister Susato in Antwerpen vorbeischauen und eine neue Chanson-Ausgabe eintüten (sie erschien 1544). Auch 14 Jahre später, 1556, als Willaert abermals Heimaturlaub beantragte, war die Situation in Flandern angespannt. Mit Frankreich hatte der Kaiser nach abermaligen Kämpfen gerade einen ziemlich wackeligen Waffenstillstand ausgehandelt. Durch die nachfolgende Abdankung des Kaisers wurde die Lage in der Grenzregion nicht eben stabiler. Diesmal gab es wohl mehr zu erledigen, Willaert überzog seinen Urlaub und kam erst im folgenden Jahr wieder nach Venedig zurück.
In seinen letzten Jahren war Willaert krank und er musste sich vertreten lassen.
Am 7. Dezember 1562 verstarb Adrian Willaert in Venedig.
Alvise Willaert
Alvise Willaert war Neffe von Adrian Willaert. Seine Mutter war Adrians Schwester Johanna, sein Vater hieß Loonis Harout; eigentlich hieß er also Alvise Harout. Er verbrachte einige Zeit in Venedig, lebte vermutlich im Haus seines Onkels und erhielt möglicherweise dort auch Kompositionsunterricht. Es ist davon auszugehen, dass er in Venedig u.a. Antonio Molino kennenlernte.
Gesicherte Fakten sind eine Erwähnung in Adrians Testament und die Komposition des Madrigals „Pianza’l Grego Pueta“ auf Adrians Tod zu einem Text von Antonio Molino.
Gioseffo Zarlino
Gioseffo Zarlino wurde im Frühjahr 1517 in Chioggia unweit Venedigs geboren. Er erhielt bei den Franziskanern eine umfassende musikalische Ausbildung und trat später auch in den Orden ein. Ab 1536 war er Sänger an der Kathedrale von Chioggia und drei Jahre später wurde er Diakon und erster Organist dortselbst. Im folgenden Jahr wurde er als Priester ordiniert; und wieder ein Jahr später, 1541, begab er sich nach Venedig, um bei Adrian Willaert zu studieren. Glücklicherweise bekam er auch eine Stelle als Sänger an San Marco und behielt diese auch, nachdem Willaert gestorben war, unter dessen Nachfolger Cipriano de Rore.
Als dieser bereits nach ungefähr einem Jahr verärgert die Leitung niederlegte und Venedig verließ, schlug die Stunde für Zarlino. Er wurde maestro di capella. Diese Stellung behielt er bis zu seinem Tode im Februar 1590. 1583 war ihm das Amt des Bischofs von Chioggia angeboten worden; aber der Senat von Venedig hatte ihn zum Bleiben überredet.
Zarlino war ein mäßig produktiver Komponist von Motetten und Madrigalen, von denen überdies nicht alles erhalten ist. Sein Stil war sehr konservativ, nach strengen Regeln gesetzte Polyphonie und Kontrapunkt nach alter Väter Sitte; von diesem ganzen neumodischen barocken Firlefanz, Monodie, Affekten usw., hielt er nicht viel. Das war wohl einer der Hauptgründe für die Streitigkeiten mit seinem Kollegen und Untergebenen Baldassare Donato, der gerade an diesem Firlefanz seine Freude hatte (und vermutlich seinerseits ein ziemlicher Brausekopf war).
Seine größte Bedeutung hatte Zarlino allerdings als Musiktheoretiker. Seine Schriften „Istitutioni harmoniche“ (1558), „Dimostrationi harmoniche“ (1571) und „Sopplimenti musicali“ (1588) wurden in ganz Europa rezipiert, wenn auch zunehmend in der Weise, dass man die strengen Regeln zur Kenntnis nahm, um sie lustvoll zu umgehen und etwas Neues zu erschaffen – Barockmusik.